Spezialisiertes Projektmanagement

Projektmanagement ist ein wichtiger Hebel für effizientere Prozessabläufe in Kommunalverwaltungen. Dabei geht es im Kern um eine bessere Vorbereitung und Steuerung von Maßnahmen. Beispiele aus Berlin, Bielefeld und Hamburg zeigen, wie das die Radverkehrsplanung beschleunigen kann.
 


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Kommunalverwaltungen sind geprägt von einer hierarchischen Organisation und kleinteiliger Aufgabenteilung. Dies soll unter anderem Rechtssicherheit, Nachvollziehbarkeit und Qualität in der Verwaltungsarbeit sicherstellen. Während diese Prozesse und Strukturen für viele Aufgabenbereiche adäquat und nützlich sind, stoßen sie bei der Radverkehrsförderung und dem damit einhergehenden komplexen und mitunter konfliktbeladenen Umbau des Straßenraums zunehmend an ihre Grenzen. Die bewährten Abstimmungsroutinen und Entscheidungsprozesse erscheinen vielfach als träge und ineffizient.

So findet die verwaltungsinterne Kommunikation zwischen zentralen Stellen oft erst spät oder auch gar nicht statt. Prozessschritte laufen eher hintereinander anstatt parallel ab. Häufig fehlt es an klaren Verantwortlichkeiten und Koordinierungsinstanzen für Planungsprozesse. Projekte geraten ins Stocken, Entscheidungen bleiben aus. Zudem erfordern die Aufgaben weit mehr als nur ingenieursspezifische Fähigkeiten. Personalkapazitäten fehlen oder werden nicht effektiv eingesetzt. Die Digitalisierung des Daten- und Wissensmanagements steht oft noch am Anfang. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Maßnahmen zur Radverkehrsförderung häufig nur langsam vorankommen oder auch scheitern.

Um die Radverkehrsplanung zu beschleunigen, bedarf es deshalb Alternativen zur klassischen Verwaltungsarbeit entlang von Linienhierarchien und fachlich-thematischen Silos. Auf der Ebene der verwaltungsinternen Arbeitsprozesse können Elemente von Projektmanagement hilfreich sein. Hierzu gibt es bereits verschiedenste Leitfäden[1] und Standards, die auf die Besonderheiten von Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung eingehen. Zudem gibt es in immer mehr Kommunen Verwaltungseinheiten, die die Themen Change- und Projektmanagement vorantrieben und verankern sollen[2]. Trotz grundsätzlicher Offenheit und Problembewusstsein ist Projektmanagement jedoch noch in keiner Kommune konsequent eingeführt.

Im Folgenden werden Beispiele von Projektarbeit zur Optimierung von Radverkehrsplanungsprozessen aus Berlin, Hamburg und Bielefeld erläutert. Alle drei Kommunen stehen dabei noch relativ am Anfang. Sie können erste positive Effekte verzeichnen, lernen gleichzeitig dazu und passen ihr Vorgehen stetig an.

 

Projekteinheit Radwege in Berlin

Die „Projekteinheit Radwege“ der Berliner Senatsverkehrsverwaltung unterstützt die Bezirke dabei, sichere Radfahrstreifen einzurichten und vorhandene Radwege zu verbreitern oder auch zu modernisieren.[3] Sie ist bei der obersten Straßenverkehrsbehörde angesiedelt und vereint neben rechtlichem Wissen und verkehrsrechtlicher Anordnungskompetenz gleichzeitig Know-how für die Planung von Verkehr, Radverkehr und Lichtsignalanlagen sowie für die Erstellung von Verkehrszeichenplänen. Damit sind zentrale Arbeitsschritte eng verzahnt. Zudem koordiniert die Projekteinheit den Prozess bis zur straßenverkehrsbehördlichen Anordnung.

Zentrale Arbeitsgrundlage ist neben der Straßenverkehrsordnung eine Rahmenvereinbarung mit den Berliner Bezirken, in der der „Prozess zu Fahrstreifenumwandlung“ und die Verantwortlichkeiten zwischen Senatsebene, Bezirken und der Infrastrukturgesellschaft InfraVelo festgehalten sind. Die Projekteinheit Radwege steht damit „für eine neue Kultur der Zusammenarbeit, die eine rasche Umsetzung zum Ziel hat“, wie es auf der Website von InfraVelo heißt. Im Ergebnis haben sich Planungszeiträume für Radverkehrsanlagen im Berliner Hauptstraßennetz um mehrere Monate verkürzt.[4]

Abbildung 1: Geschützter Radfahrstreifen auf ehemaligem Parkstreifen in der Müllerstraße in Berlin-Mitte als ein Ergebnis der Projekteinheit Radwege. Quelle: Taylan Kurt via Twitter

 

Projektstrukturen in Bielefeld

In Bielefeld zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass die in Volumen und Komplexität wachsenden Maßnahmen im Verkehrsbereich mit bestehenden Arbeitsroutinen kaum mehr zu bewältigen sind. Neben dem Ruf nach mehr Personal wurde auch deutlich, dass erhebliche Effizienzgewinne in den Prozessen und Strukturen des Amtes für Verkehr liegen.

Ein Mittel, um diese zu realisieren, ist die Einführung von Projektstrukturen und -teams. Diese eignen sich für komplexe Maßnahmen, die einen höheren Abstimmungsbedarf über einen längeren Zeitraum haben, und ergänzen die bestehende Linienorganisation. Das Tagesgeschäft – also eher kleinteilige, wiederkehrende oder in sich abgeschlossene Routineaufgaben wie die Stellungnahme zu Bebauungsplanverfahren oder der Ausbau von ÖPNV-Haltestellen – verbleibt in der klassischen Linienstruktur.

Je nach Auftrag und Zielsetzung werden Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen in einem Projektteam gebündelt und der Prozess durch eine Projektleitung gesteuert (siehe Abbildungen 2 und 3). Hilfreich ist, dass alle im Radverkehr üblicherweise planungsrelevanten Disziplinen bereits im Amt für Verkehr verortet sind, wodurch eine einheitliche Ziel- und Prioritätensetzung erleichtert wird. Innerhalb der Projektstruktur wird gemeinsam und zeitgleich an einem Vorhaben gearbeitet. Eventuelle Änderungen können sofort in die Planung einfließen. Außerdem ist die Projektleitung gegenüber allen Mitgliedern des Projektteams weisungsbefugt, auch wenn diese aus unterschiedlichen Teilen des Amtes für Verkehr kommen.

Aktuelles Beispiel für die Projektarbeit ist die Fahrradstraße Ehlentruper Weg[5]. Die Fahrradstraße führt über 1,8 Kilometer durch Bielefelder Stadtgebiet und ist aufgrund umstrittener Maßnahmenbestandteile (Wegfall von Stellplätzen, Unterbindung von Kfz-Durchgangsverkehr) zunächst in einem mehrstufigen Verkehrsversuch erprobt worden. Für die Projektleitung ist eine Mitarbeiterin im Bereich „Operative Verkehrsplanung“ verantwortlich. Sie übernimmt die Steuerung der verschiedenen internen und externen Beteiligten und koordiniert insbesondere während der Verkehrsversuche die Evaluation sowie die Beteiligungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Projektleitung ist dabei vollständig aus dem Tagegeschäft herausgelöst und neben Projektarbeit nur zu einem geringen Anteil von zehn Prozent mit Kapazitäten für weitere Aufgaben (vor allem interne Organisation) ausgestattet. Dadurch wird der Projektfortschritt sichergestellt und Planungspersonalkapazitäten werden nicht durch Management-Aufgaben gebunden.


Abbildung 2

Abbildung 3


Bündnis für den Rad- und Fußverkehr in Hamburg

In Hamburg ist der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) mit der Steuerung und dem Controlling zur Umsetzung des „Bündnisses für den Rad-und Fußverkehr“ betraut. Aktuell sind drei Vollzeitstellen damit beschäftigt. Sie übernehmen das Berichtswesen, das Risikomanagement und das Kostencontrolling:

  • Mit dem Berichtswesen werden laufende Maßnahmen der verschiedenen Realisierungsträger in Hamburg (Bezirke, Hamburg Port Authority, LSBG) entlang von Kennzahlen[6] nachgehalten. Daraus entsteht eine umfangreiche Datengrundlage, die der Verwaltung über ein stadteigenes Portal zur Verfügung steht. Auf dieser Basis können Maßnahmenbestandteile, der Projektfortschritt (siehe Abbildung 3) und die Kosten nachvollzogen werden. Das erleichtert auch die Beantwortung von Anfragen aus dem politischen Raum.
  • Beim Risikomanagement steht die frühzeitige Identifizierung und wenn möglich Klärung von Projektverzögerungen im Zentrum. Als Teil der oben genannten Fortschrittsberichte werden etwaige Risiken[7] und deren Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß mit den beteiligten Realisierungsträgern wiederkehrend ermittelt und, sofern nötig und möglich, Klärungsmöglichkeiten gesucht.
  • Beim Kostencontrolling werden zum einen jährliche Vereinbarungen zum Mittelabfluss für die kommenden Jahre getroffen und überprüft; zum anderen werden die geplanten Maßnahmen auf Passfähigkeit mit bestehenden Bundesförderprogrammen abgeglichen und die Realisierungsträger dazu beraten.
     

Abbildung 4

Das Projektcontrolling ist bereits eine wichtige Stütze für die Hamburger Radverkehrsförderung. Potenziale für eine Weiterentwicklung gibt es noch für ein einheitlicheres Datenmanagement, eine Verbesserung der Software sowie für eine stärkere und frühzeitigere Steuerung.

 

Zusammenfassung

Die Erfahrungen aus den Kommunen zeigen die positiven Wirkungen, wenn sich spezialisierte Einheiten der Verwaltung bei der Radverkehrsplanung auf das Projektmanagement konzentrieren. Dadurch wird es möglich, bei immer mehr und komplexer werdenden Maßnahmen im öffentlichen Raum den Überblick zu behalten und die Umsetzung zu beschleunigen. Abstimmungsprozesse und Prozessverantwortlichkeiten werden dabei klar benannt und die vielfältigen verwaltungsinternen Koordinierungs-, Kommunikations- und Managementaufgaben besser durch die notwendigen Kompetenzen und Kapazitäten abgedeckt.

 

[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/moderne-verwaltung/praxisleitfaden-projektmanagement.html.

[2] Einen Einblick in die Aufgaben, Potenziale und Herausforderungen einer solchen Einheit gibt das V-Büro Bremen im Blog der „Verwaltungsrebellen“: https://verwaltungsrebellen.de/v-buero-bremen/.

[3] Für das Berliner Hauptverkehrsstraßennetz ist die Senatsverwaltung für Planung und verkehrsrechtliche Anordnung verantwortlich. Die Berliner Bezirke bzw. die InfraVelo setzen anschließend baulich um. Der Prozess der Fahrstreifenumwandlung wurde aus dem Vorgehen der Berliner Pop-up-Radwege abgeleitet und in ein zügiges Verfahren zur dauerhaften Anordnung von Radverkehrsanlagen überführt.

[4] Weitere Information zur Projekteinheit: https://www.infravelo.de/projekte/radverkehrswege/projekteinheit-radwege/.

[5] https://fahrradstrasse-bi.de/.

[6] Schaffung/Wegfall Parkplätze und Fahrradbügel, Baumbestand, Kosten der Maßnahmen, Projektfortschritt, etc.

[7]Ein Beispiel: Hoher Personalmangel bei den Realisierungsträger führt zu Überbelastung, schlechter Datenlage, Druck usw.

 

Projektleitung

Vom Plan auf die Straße


Wie Kommunen den Ausbau von Radverkehrsinfrastruktur und ­Parkraummanagement beschleunigen können

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