Zum Hauptinhalt gehen
Format
Blog
Date
28. November 2025

Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale

Durch die geplante Reform der Pendlerpauschale würde noch mehr Geld in einen Steuermechanismus fließen, der hohe Einkommen begünstigt. Fairer wäre es, die Systematik zu ändern und niedrige Einkommen stärker zu entlasten. Mit einem Mobilitätsgeld wäre dies ohne zusätzliche Haushaltsmittel möglich.

Einleitung

Von Johanna Wietschel, Projektmanagerin Verkehrsökonomie und Marion Vieweg, Projektleiterin nationale Klima- und Verkehrspolitik bei Agora Verkehrswende.

Die Entfernungspauschale nach Paragraf 9 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz, kurz Pendlerpauschale, ermöglicht es Arbeitnehmer:innen und Selbstständigen, ihre Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten bei der Einkommensteuererklärung geltend zu machen. Dies ist insbesondere für diejenigen wichtig, die sich eine Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes nicht leisten können.

Effekt der Pendlerpauschale hängt vom Steuersatz ab

Die aktuelle Ausgestaltung der Pendlerpauschale führt jedoch dazu, dass Besserverdienende stärker profitieren als andere Einkommensgruppen. Die Pauschale wird in Form von Werbungskosten vom Bruttoeinkommen abgezogen und mindert das zu versteuernde Einkommen. Da auf hohe Einkommen ein höherer Steuersatz entfällt, steigt die Steuerersparnis pro abgesetztem Kilometer mit dem Einkommen. Die Entlastung durch die Pendlerpauschale pro Kilometer fällt dadurch für einkommensarme Haushalte geringer aus. Die erreichte Ersparnis hängt vom Steuersatz des Einzelnen ab, während die Kosten, die für das Pendeln pro Kilometer anfallen, für alle gleich sind.

Die ungleiche Verteilung lässt sich an einem Rechenbeispiel veranschaulichen. Variiert wird dabei nur das Einkommen, alle anderen steuerrelevanten Annahmen bleiben gleich: eine Person, alleinstehend, 200 Pendeltage, 30 Kilometer einfache Pendeldistanz, 500 Euro sonstige Werbungskosten. Für Personen mit niedrigem Einkommen (30.000 Euro brutto) läge die steuerliche Entlastung bei 313 Euro, während Haushalte mit hohem Einkommen (80.000 Euro brutto) mit 490 Euro fast 60 Prozent mehr erhalten – trotz identischer Pendelstrecke und gleichen Mobilitätskosten.

Reformvorschlag verstärkt ungleiche Wirkung

Die aktuell diskutierte Reform der Pendlerpauschale sieht eine vereinfachte Regelung sowie eine Erhöhung vor: Die Pauschale soll künftig bereits ab dem ersten Kilometer mit 38 Cent pro Kilometer angesetzt werden – also ohne gestaffelten Satz für kurze Strecken. Bisher gilt für die ersten 20 Kilometer ein reduzierter Satz von 30 Cent pro Kilometer und Arbeitstag. Die Verabschiedung der Reform im Bundestag ist für Dezember geplant.

Die Reform verspricht zwar eine Entlastung, aber die Entlastung ist wieder ungleich verteilt und verstärkt die Vorteile für Besserverdienende. Für eine Person mit hohem Einkommen ergibt sich bei den eben genannten Annahmen eine steuerliche Entlastung von rund 617 Euro pro Jahr (bisher: 490 Euro). Eine vergleichbare Person mit niedrigem Einkommen erhält nur rund 394 Euro Entlastung (bisher: 313 Euro). Beide würden stärker entlastet als bisher, aber die Person mit hohem Einkommen würde insgesamt nach der Reform 223 Euro mehr einsparen als die Vergleichsperson mit niedrigem Einkommen.

Mobilitätsgeld entlastet an der richtigen Stelle

Mit einem einkommensunabhängigen Mobilitätsgeld ließe sich das Berufspendeln steuerlich gerechter behandeln. Das Mobilitätsgeld wird für alle Pendler:innen in gleicher Höhe gewährt – beispielsweise zehn Cent pro Entfernungskilometer und Arbeitstag – und direkt von der individuellen Einkommensteuerschuld abgezogen. Im Gegensatz zur heutigen Pendlerpauschale, die das zu versteuernde Einkommen mindert, reduziert das Mobilitätsgeld unmittelbar die tatsächlich zu zahlende Steuer. Für jeden anerkannten Entfernungskilometer wird ein fester Betrag gewährt, der eins zu eins die Steuerschuld verringert. Im Rechenbeispiel mit den oben genannten Annahmen ergibt sich dadurch für alle Einkommensgruppen eine jährliche Entlastung von 600 Euro.

Ein weiterer Faktor kann die gerechtere Wirkung des Mobilitätsgeldes noch verstärken: die Werbungskostenpauschale. Wenn ein Mobilitätsgeld die Steuerlast senkt, sollte gleichzeitig die Werbungskostenpauschale reduziert werden. Sonst würden Pendler:innen mit Wegekosten, die den Pauschbetrag übersteigen, doppelt begünstigt. In den Rechenbeispielen bedeutet das eine Reduzierung der Werbungskostenpauschale von 1230 Euro auf 1000 Euro. Das wirkt sich wegen der unterschiedlichen Steuersätze unterschiedlich auf die Einkommensgruppen aus. Bei niedrigen Einkommen ergibt sich eine Entlastung von 541 Euro (statt 394 Euro mit der reformierten Pendlerpauschale), bei hohen Einkommen von 507 Euro (statt 617 Euro).

Als direkter Abzug von der Steuerlast verlässt das Mobilitätsgeld die klassische Logik der Werbungskosten, aber ermöglicht eine sozialpolitische Korrektur innerhalb des Steuerrechts. Die Einführung eines Mobilitätsgeldes bietet neben der sozialen Entlastung auch die Möglichkeit, klimapolitische Ziele zu verfolgen. So ließe sich die finanzielle Unterstützung für Pendler:innen mit Anreizen für emissionsärmere Mobilität verbinden, beispielsweise durch eine Staffelung der Förderung nach Verkehrsmittelwahl.

Arbeitswege fairer fördern

Die geltende Pendlerpauschale ist sozial unausgewogen, denn sie entlastet hohe Einkommen stärker als niedrige. Eine Erhöhung dieser Pauschale, ohne die Systematik zu ändern, kostet den Staat mehr Geld und verstärkt gleichzeitig die ungerechte Wirkung. Ein Mobilitätsgeld, das direkt von der Steuerschuld abgezogen wird, kann alle gleich entlasten. Wenn das Mobilitätsgeld mit einer verringerten Werbungskostenpauschale kombiniert wird, ist sogar eine progressive Wirkung möglich. Niedrige Einkommen werden dann stärker entlastet als hohe.

Die gezielte Entlastung für Beschäftigte mit geringen Einkommen wäre aufkommensneutral möglich, also ohne zusätzliche Haushaltsmittel. Ein Mobilitätsgeld bietet somit eine pragmatische Perspektive für mehr Gerechtigkeit im Steuer- und Verkehrssystem. Am aktuellen Reformvorschlag wird sich wahrscheinlich nicht mehr viel ändern. Dafür ist der Entscheidungsprozess zu weit fortgeschritten. Aber angesichts der ungleichen Verteilungswirkung sollte die nächste Reformrunde am besten jetzt schon vorbereitet werden – mit Kurs auf ein Mobilitätsgeld, das direkt von der Steuerschuld abgezogen wird.

Dieser Text erschien zuerst am 28.11.2025 als Gastbeitrag für Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility.

Weiterlesen

  • Arbeitswege fairer fördern

    Warum die Pendlerpauschale Besserverdienende begünstigt und wie ein Mobilitätsgeld für mehr Gerechtigkeit sorgen kann

    Format
    Politikpapier

Autor:innen