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Die Anrechnung strombasierter Kraftstoffe (E-Fuels) auf CO2-Flottengrenzwerte für Lkw wäre industrie- und klimapolitisch das falsche Signal. E-Fuels sollten dort gefördert werden, wo es keine direktelektrische Alternative gibt, vor allem beim Fliegen.
Damit neue Generationen von Lkw und anderen schweren Nutzfahrzeugen klimafreundlicher werden, hat die EU im Jahr 2019 erstmals auch für dieses Segment CO2-Flottengrenzwerte eingeführt. Sie verpflichten die Hersteller dazu, die Emissionen ihrer Fahrzeugflotten zu senken. Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung soll derweil bis 2030 ein Drittel aller Kilometer im Straßengüterverkehr elektrisch gefahren werden. Zum Erreichen der Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene müssen die Flottengrenzwerte für Lkw verschärft und für einen längeren Zeitraum definiert werden.
Emissionsfreier Straßengüterverkehr wird überwiegend batterieelektrisch sein
Eine Studie der Forschungsorganisation Netherlands Organisation for Applied Scientific Research (TNO) hat gezeigt, dass der schnelle Hochlauf von E-Lkw weder an ihren Kosten noch Eigenschaften scheitern wird. Batterieelektrische Lkw werden demnach im Vergleich zu Diesel-Lkw bereits im Jahr 2030 in 99,6 Prozent aller Anwendungsfälle in der Gesamtkostenrechnung günstiger sein und die gleichen Anforderungen an Reichweite, Laufzeit und Nutzlast erfüllen. Damit Deutschland auf den Pfad zur Klimaneutralität 2045 gelangt, sollten ab 2035 ausschließlich Nullemissions-Lkw zugelassen werden. Als Nullemessions-Lkw gelten dabei batterieelektrische und Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge.
Einige Akteure plädieren hingegen dafür, auch E-Fuels auf die Lkw-Flottengrenzwerte anrechenbar zu machen und so einen niedrigeren CO2-Ausstoß ohne Abkehr vom Verbrennungsmotor zu erreichen. Zwar emittieren E-Fuels ebenso viel CO2 wie fossiles Benzin oder Diesel, können aber einen Klimavorteil haben, solange sie mit Strom aus zusätzlichen erneuerbaren Energien hergestellt werden und der Kohlenstoff zuvor aus der Atmosphäre entnommen wurde. Vor diesem Hintergrund hoffen vor allem einige Automobilzulieferer, die mit der Umstellung auf Elektromobilität hadern, an ihren Geschäftsmodellen festhalten zu können.
E-Fuels an der falschen Stelle bergen hohe Investitionsrisiken
Vor allem drei Gründe sprechen jedoch gegen den Einsatz von E-Fuels in schweren Nutzfahrzeugen und ihre Anrechnung auf die Lkw-Flottengrenzwerte:
- Ineffizienz: Der Einsatz von E-Fuels ist energieintensiv. Für die gleiche Fahrstrecke benötigt ein Fahrzeug mit E-Fuels und Verbrennungsmotor rund fünfmal so viel erneuerbaren Strom wie ein batteriebetriebenes Fahrzeug. Zusätzliche Anlagen zur Stromerzeugung würden zu mehr Flächenbedarf und gemeinsam mit zusätzlichen Umwandlungsanlagen zu höheren Kosten führen.
- Knappheit: E-Fuels werden auf lange Zeit knapp und teurer bleiben. Weltweit gibt es bisher nur eine Handvoll kleinerer Demonstrationsanlagen, die wenige hundert Tonnen E-Fuels pro Jahr produzieren – ein Bruchteil der Menge, die allein in Deutschland jährlich verbraucht wird. Außerdem wird der kostbare grüne Wasserstoff, Ausgangsstoff für klimaneutrale E-Fuels, etwa in der Stahlproduktion und der chemischen Industrie gebraucht, um die Klimaziele zu erreichen. Angesichts der global noch begrenzten Kapazitäten zur Wasserstoffproduktion sollten E-Fuels daher für die Verkehrsmittel genutzt werden, denen absehbar keine alternativen Antriebsformen zur Verfügung stehen
- Investitionsrisiko: Unternehmen brauchen Planungssicherheit, damit sie in die Technologien investieren, die das größte wirtschaftliche Potenzial haben. Das wirtschaftliche Potenzial wiederum hängt zunehmend davon ab, ob eine Technologie auch dem Klimaschutz dient. Mit ambitionierten Lkw-Flottengrenzwerten ohne Anrechnung von E-Fuels würde die Politik für den Straßengüterverkehr Investitionssicherheit schaffen. Fahrzeughersteller und die Logistikbranche könnten sich ganz auf Bau und Betrieb von E-Lkw fokussieren.
Anreize auf Luftverkehr konzentrieren
Die Zukunft von E-Fuels liegt neben der Seeschifffahrt vor allem im E-Kerosin für den Luftverkehr, weil dort insbesondere auf Langstrecken keine Alternative absehbar ist. Statt E-Fuels in andere Märkte zu drängen, wo bereits überlegene emissionsfreie Alternativen zur Verfügung stehen, sollten Wirtschaft und Politik ihre Ambitionen vor allem auf den Luftverkehr konzentrieren. Fehlinvestitionen würden der Wirtschaft am Ende in allen Bereichen schaden: im Straßengüterverkehr, im Luftverkehr, in der Kraftstoffproduktion und in den Industriezweigen, wo grüner Wasserstoff gebraucht wird.
Um E-Fuels und insbesondere E-Kerosin zu fördern, wurden bereits regulatorische Anreizsysteme auf der Nachfrageseite eingerichtet, die angesichts der noch geringen Produktionsmengen allerdings ambitioniert sind. Dies umfasst zum Beispiel die Anrechenbarkeit von E-Kerosin auf die CO2-Emissionen des Luftverkehrs im Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) oder E-Kerosin-Quoten in Deutschland und auf EU-Ebene. Außerdem können E-Fuels auf die Ziele der aktuellen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) angerechnet werden.
Zeitnah braucht es jetzt konkrete und strikte Nachhaltigkeitsanforderungen für die Produktion von E-Fuels – sowohl für den erneuerbaren Strom als auch für das benötigte CO2. Nur so können etwa zielgerichtete Förderprogramme für den Markthochlauf von E-Fuels aufgelegt werden.
Klare Trennung von E-Fuels und CO2-Grenzwerten
Um die CO2-Emissionen im Verkehr zu senken, sollten sich regulatorische Instrumente jeweils an bestimmte Marktakteure richten. Elektrifizierung und Effizienzsteigerungen bei Verbrennungsfahrzeugen einerseits und CO2-Minderung bei der Energieerzeugung andererseits sind jeweils mit maßgeschneiderten Instrumenten voranzutreiben: Für die E-Fuels-Wirtschaft bedeutet das Emissionshandel, Absatzquoten und Nachhaltigkeitsanforderungen, für die Fahrzeughersteller bedeutet es CO2-Flottengrenzwerte. Eine Anrechenbarkeit von E-Fuels birgt dagegen die Gefahr der Vermischung der regulierten Bereiche und damit einer doppelten Anrechnung. E-Fuels sollten unabhängig von den CO2-Grenzwerten und allein für den Luftverkehr sowie Teile des Seeschiffverkehrs gefördert werden. Das würde den verschiedenen Industriezweigen mehr Planungs- und Investitionssicherheit geben und die Minderung von Treibhausgasemissionen beschleunigen. Dafür sollte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene einsetzen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility: https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/e-fuels-zum-fliegen-bringen
Alle Beiträge von Dr. Ulf Neuling
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Lkw-Flottengrenzwerte: E-Fuels zum Fliegen bringen
Die Anrechnung strombasierter Kraftstoffe (E-Fuels) auf CO2-Flottengrenzwerte für Lkw wäre industrie- und klimapolitisch das falsche Signal. E-Fuels sollten dort gefördert werden, wo es keine direktelektrische Alternative gibt, vor allem beim Fliegen.