Dieser Inhalt ist auch verfügbar auf: Englisch
Power-to-X: Ohne klare politische Signale ein Nischenphänomen
Wie der Hochlauf von PtX-Kraftstoffen für den Luft- und Seeverkehr beschleunigt werden kann.

Einleitung
Um den Hochlauf von Power-to-X-Kraftstoffen (PtX) für den Luft- und Seeverkehr zu beschleunigen, sollten Regierungen eine aktivere Rolle bei der Gestaltung eines Marktes übernehmen, dem es derzeit an Investitionssicherheit und Nachfragestabilität mangelt, argumentieren Dr. Wiebke Zimmer, Stellvertretende Direktorin, und Leon Berks, Referent Lieferketten und Rohstoffe von Agora Verkehrswende.
Die weltweiten Bemühungen zur Dekarbonisierung des Verkehrs befinden sich an einem kritischen Punkt. Während erneuerbarer Strom über Batterien in Pkw und Lkw effizient genutzt werden kann, ist eine direkte Elektrifizierung für den Luft- und Seeverkehr nur bedingt realisierbar: Zu viel Energie ist für die langen Strecken und großen Lasten nötig, um sie aktuell in Batterien effizient speichern oder mithilfe von Brennstoffzellentechnologien effizient umwandeln zu können. Für den Luft- und Seeverkehr sind PtX-Kraftstoffe wie E-Fuels aus erneuerbarem Strom die passende Lösung. Ihre Markteinführung verläuft jedoch viel zu langsam.
Die Wirtschaftlichkeit stellt ein grundlegendes Problem dar: PtX-Kraftstoffe sind nach wie vor deutlich teurer als fossile Alternativen. Diese Preisdifferenz schreckt Käufer ab, insbesondere in Bereichen wie der Schifffahrt und der Luftfahrt, wo Kraftstoffe auf volatilen Spotmärkten zu möglichst günstigen Preisen eingekauft werden. Nur wenige Käufer sind hier bereit, langfristige Verträge für teurere nachhaltige Kraftstoffe abzuschließen. Damit fehlt den Produzenten die Grundlage für eine sichere Finanzierung. Dies führt zu einem Henne-Ei-Problem: Die Nachfrage ist zu unsicher für Investitionen und das Angebot ist zu klein für eine nennenswerte Marktakzeptanz.
Dieses Marktversagen kann mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen überwunden werden. Rechtssicherheit, klare Nachfragesignale und langfristige finanzielle Rahmenbedingungen sind unerlässlich, um das Vertrauen von Investoren, Produzenten und Käufern zu stärken. Regierungen verfügen über entsprechende Instrumente, aber sie müssen auch bereit sein, diese einzusetzen.
Ein viel diskutiertes politisches Instrument, das in der Europäischen Union bereits umgesetzt wurde, ist die Einführung verbindlicher Beimischquoten. Sie schreiben vor, dass ein festgelegter Anteil der Kraftstoffe, die in Umlauf gebracht werden, PtX-Kraftstoffe sein müssen. Dahinter steht die Absicht, eine Grundnachfrage zu schaffen und somit Investoren und Produzenten abzusichern. Es wird jedoch immer deutlicher, dass diese Quoten allein nicht ausreichen, um den Markthochlauf voranzubringen. Sie wirken weder gegen Preisschwankungen, noch bieten sie die langfristigen Abnahmeverpflichtungen, die erforderlich sind, um eine groß angelegte Produktion rentabel zu machen.
Es braucht zusätzliche Mechanismen, die sowohl Preisstabilität als auch Investitionssicherheit gewährleisten. Doppelseitige Auktionsmechanismen, wie sie im „H2Global”-Modell zum Einsatz kommen, bieten eine vielversprechende Lösung. In diesem Modell schließen Zwischenhändler, die von staatlicher Seite gefördert werden, nach einem Bieterprozess langfristige Kaufverträge mit PtX-Kraftstoffproduzenten ab. Anschließend verkaufen sie die Kraftstoffe an die höchst bietenden Endverbraucher weiter. Die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft der Abnehmer und dem Einkaufspreis für die PtX-Kraftstoffe wird subventioniert.
Dieser Ansatz reduziert das Risiko für beide Seiten: Er sichert den Produzenten stabile Einnahmen und bietet den Käufern vorhersehbare Preise – genau die Stabilität, die der PtX-Markt braucht. Finanziert werden könnte das durch Einnahmen aus der Bepreisung von CO2 oder durch gezielte Abgaben auf konventionelle fossile Brennstoffe. So wird sichergestellt, dass die Kosten der Energiewende von denjenigen getragen werden, die für die Emissionen verantwortlich sind, ohne die öffentlichen Finanzen übermäßig zu belasten.
Eine aktuelle Vergleichsanalyse (englischsprachig) von Agora Verkehrswende zeigt, dass die politischen Ambitionen zur Förderung von PtX-Kraftstoffen für die Luft- und Seefahrt weltweit sehr unterschiedlich sind. Die Studie untersucht PtX-bezogene Maßnahmen in wichtigen Volkswirtschaften wie Brasilien, Indien, Südafrika, den Vereinigten Staaten, Japan, der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Zwar erkennen alle diese Länder die Bedeutung von PtX-Kraftstoffen an, doch unterscheiden sich ihre regulatorischen Rahmenbedingungen erheblich.
Die EU, Deutschland und das Vereinigte Königreich haben eine Vorreiterrolle übernommen, mit einer Mischung aus Nachhaltigkeitsstandards, verbindlichen Quoten, Auktionsmechanismen und CO2-Bepreisung. Doch selbst in diesen Märkten befinden sich PtX-Kraftstoffe noch in einem frühen Stadium der Kommerzialisierung. Daher ist es unerlässlich, die bestehenden Maßnahmen zu stärken und die finanzielle Unterstützung für marktbasierte Lösungen wie Auktionen auszuweiten.
Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika haben das Potenzial, zu wichtigen Akteuren in der globalen PtX-Wertschöpfungskette zu werden. Sie verfügen über vorteilhafte Produktionsbedingungen und ihre Märkte für nachhaltige Kraftstoffe könnten künftig aufgrund eines steigenden Verkehrsaufkommens in der Luft- und Schifffahrt wachsen. Doch auch wenn einige dieser Länder bereits bedeutende Schritte zu Förderung des PtX-Hochlaufs gemacht haben, bedarf es weiterer politischer Fortschritte entlang des oben beschriebenen Instrumentenmixes, um umfangreiche Investitionen auszulösen.
Eine internationale Zusammenarbeit ist für den Hochlauf der PtX-Kraftstoffproduktion von entscheidender Bedeutung. Um global Klimaneutralität zu erreichen, müssen Nachhaltigkeitskriterien harmonisiert, Förderinstrumente wie Auktionen und Quoten koordiniert und Länder im globalen Süden beim Aufbau ihrer PtX-Märkte unterstützt werden. Dies sollte über den benötigten Technologietransfer hinausgehen und den Aufbau von Produktionskapazitäten, industriellen Partnerschaften und fairen Finanzierungsstrukturen miteinschließen. Die jüngsten Vereinbarungen innerhalb der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) sind ein wichtiges Beispiel für einen Schritt hin zu global verbindlichen Emissionsminderungsmaßnahmen, auch wenn es fraglich bleibt, ob sie die Produktion und den Einsatz von PtX-Kraftstoffen kurz- bis mittelfristig beschleunigen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Skalierung von PtX- Kraftstoffen erfordert ein klares Marktsignal, eine funktionierende Anreizstruktur und eine starke internationale Koordination. Ohne diese Elemente besteht die Gefahr, dass die PtX-Produktion in Pilotprojekten stecken bleibt, während fossile Kraftstoffe weiterhin die dominierende Lösung für den schwer zu defossilierenden Luft- und Seeverkehr bleiben.
Dieser Text ist erstmals am 29. Juli 2025 im Climate Table als Standpunkt erschienen.
Bleiben Sie auf dem Laufenden
Neuigkeiten auf der Website? Erhalten Sie regelmäßige Informationen über unseren Newsletter.