Das nächste Klimaziel ist in Gefahr

Wie lässt sich die im Klimaplan vorgesehene 40-prozentige CO2-Reduktion im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 erreichen?

 

Der Verkehr ist das Sorgenkind des Klimaschutzes. Er trägt immerhin mit rund einem Fünftel zu den CO2-Emissionen Deutschlands bei (so viel wie alle Braunkohlekraftwerke zusammen), erweist sich aber bisher – im Gegensatz zu allen anderen Emittentengruppen – als vollkommen resistent gegenüber der Herausforderung, die Erderwärmung durch Emissionsminderung zu bremsen.

Tatsächlich hat der Verkehr seit 1990 kein einziges Kilogramm CO2 zur Emissionsminderung beigetragen. Bleibt es bei diesem traurigen Trend, dann gesellt sich zur drohenden Verfehlung des deutschen Klimaschutzziels für das Jahr 2020 weiteres Unheil: Auch die bereits vereinbarten Emissionsminderungsziele für die Zeit nach 2020 werden dann mit Ansage verfehlt.

Um dieses Menetekel zu verhindern, hat sich das Bundeskabinett Ende 2016 auf den „Klimaschutzplan 2050“ geeinigt. Danach soll der Verkehrssektor seine Treibhausgasemissionen um 40 bis 42 Prozent im Vergleich zu 1990 vermindern – und zwar bereits bis 2030. Das bedeutet in absoluten Zahlen: Nachdem in den vergangenen 25 Jahren emissionsseitig im Verkehrssektor Stillstand herrschte, soll der CO2-Ausstoß nun in der Hälfte der Zeit um mehr als 60 Millionen Tonnen sinken! Auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge entfallen davon rund 40 Millionen Tonnen.

Dieses Ziel ist ausgesprochen sportlich und setzt voraus, dass an einigen Schrauben und Schräubchen gedreht wird. Die „mit Abstand effektivste Einzelmaßnahme“ ist jedoch „die ambitionierte Fortschreibung der Flottengrenzwerte durch die EU“. Das hat die Bundesregierung im Frühjahr 2017 in ihren „Projektionsbericht“ geschrieben – damals noch in Unkenntnis dessen, was Brüssel in Sachen Fortschreibung der Pkw-Flottengrenzwerte vorschlagen würde. Inzwischen hat die EU-Kommission geliefert. Ihr Vorschlag würde indes nur einen unzureichenden Beitrag zum Erreichen des deutschen Klimaschutzziels im Verkehr leisten: Von den erforderlichen 40 Millionen Tonnen im Pkw-Sektor bestenfalls zehn Prozent – das bleibt weit hinter dem zurück, was sich die Autohersteller selbst in Sachen Elektrifizierung vorgenommen haben.

Preisfrage: Wenn die „effektivste Einzelmaßnahme“ so wenig zum Klimaschutz beisteuert, wer oder was liefert den großen Rest zur Emissionsminderung?

Fördermaßnahmen allein wie die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge werden es nicht richten können. Bei Lichte betrachtet kommt vielmehr nur ein bunter Mix nationaler Maßnahmen in Frage, jede für sich wenig wirksam, jede in der Politik hoch umstritten und viele beim Volk, gelinde ausgedrückt, nur mäßig beliebt.

Zum Beispiel die Anhebung der Kraftstoffbesteuerung und die Abschaffung des Dieselprivilegs wie in Frankreich oder alternativ eine kilometerabhängige Pkw-Maut. Die Ökologisierung der Kfz-Steuer oder der Umbau beziehungsweise die Abschaffung der Dienstwagenbesteuerung. Selbst durch all das ließe sich aber die Lücke kaum schließen. Hinzukommen müssten die konsequente Förderung des Fahrradverkehrs, die massive Ausweitung des öffentlichen Verkehrs, ein Tempolimit auf Autobahnen und Tempo 30 als Regeltempo in Städten, dazu die Verteuerung des Parkens, die konsequente Parkraumbewirtschaftung und höhere Strafen fürs Falschparken. Der Fantasie für weitere unpopuläre Maßnahmen sind keine Grenzen gesetzt.

Apropos unpopulär: Bliebe es bei dem aktuellen Kommissionsvorschlag, wäre nicht auszuschließen, dass einige EU-Mitgliedstaaten oder Städteverbünde Quoten für Elektrofahrzeuge bis hin zum Phase-out des Verbrennungsmotors dekretierten. Die Folge: Europa könnte bei der CO2-Minderung im Verkehr zu einem Flickenteppich werden, eine auch aus Sicht der Industrie höchst unangenehme Vision. Was folgt daraus? Retten, was zu retten ist. Der Kommissionsvorschlag ist noch nicht in Stein gemeißelt und steht bis mindestens Ende 2018 zur Debatte. Sieben EU-Mitgliedstaaten haben schriftlich bereits weitergehende Maßnahmen gefordert, die zukünftige deutsche Regierung sollte sich ebenfalls mit Verve dafür einsetzen. Tut sie es nicht, naht schon bald die Stunde einer unbequemen Wahrheit. Und die hieße: Das Klimaschutzziel 2030 lässt sich nicht halten.

 

 

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