Recycling von Antriebsbatterien in Europa kann erhebliche Anteile des Rohstoffbedarfs im Automobilsektor decken
Studie von Agora Verkehrswende, Stiftung GRS Batterien und Öko-Institut beziffert Potenziale und unterstreicht Handlungsbedarf / Bis 2040 knapp 25 Prozent Recyclinganteil bei Lithium, bis zu 50 Prozent bei Nickel und über 60 Prozent bei Kobalt möglich

15. September 2025. Die Bundesregierung und die EU sollten sich für den Aufbau eines europäischen Recyclingsystems für Antriebsbatterien von Fahrzeugen einsetzen. Dafür plädieren der Thinktank Agora Verkehrswende und die Stiftung GRS Batterien auf Basis einer Studie des Öko-Instituts. Demnach ist in der EU in den nächsten zehn Jahren mit einem rund sechsmal höheren Bedarf an Antriebsbatterien zu rechnen (1.200 Gigawattstunden pro Jahr). Das werde den globalen Wettbewerb um Batterierohstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit weiter verschärfen. Mit Recycling könnten im Jahr 2040 knapp 25 Prozent des Bedarfs an Lithium im europäischen Automobilsektor aus Altbatterien stammen; bei Nickel seien sogar bis zu 50 Prozent möglich, bei Kobalt über 60 Prozent.
Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende: „Die Antriebsbatterie ist das Herzstück der elektromobilen Wertschöpfung. Es wird immer wichtiger, Batterierohstoffe wiederzuverwerten. Das Recycling stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie, die Unabhängigkeit des europäischen Marktes und den Klimaschutz im Straßenverkehr. Bei Antriebsbatterien ist das Recycling daher nicht nur eine Aufgabe der Abfall- und Umweltpolitik, sondern dient auch der strategischen Rohstoffversorgung von Industrie und Wirtschaft.“
Die EU habe bereits wichtige Initiativen gestartet, um den Aufbau einer europäischen Batterie- und Recyclingindustrie zu stärken und die Lücken in der europäischen Rohstoffversorgung zu schließen, etwa über Recyclingziele für in Europa auf den Markt gebrachte Batterien (Batterieregulierung), Ziele für die Versorgung mit kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act) und die Industriestrategie für den Automobilsektor. Darauf müssten aber nach Einschätzung von Agora Verkehrswende weitere Schritte folgen, von der Förderung von Pilotprojekten über die Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb Europas bis zum Monitoring der Stoffströme.
Die Studie wurde von Agora Verkehrswende wissenschaftlich begleitet und herausgegeben, vom Öko-Institut erstellt und von der Stiftung GRS Batterien gefördert. In Fachworkshops wurden auch Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus den relevanten Branchen eingeholt. Die Studie bietet eine Übersicht über die europäischen Wertschöpfungsketten für Lithium-Ionen-Batterien und berechnet verschiedene Szenarien für die Entwicklung der Batteriechemie sowie für den dadurch entstehenden Bedarf an den Batterierohstoffen Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit. Außerdem analysiert sie Vor- und Nachteile verschiedener Geschäftsmodelle für das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien in der EU.
Trend zu Antriebsbatterien ohne Nickel und Kobalt
Nach den Berechnungen der Studie werden die Mengen an Altbatterien nach 2030 signifikant zunehmen, weil dann immer mehr alte Elektrofahrzeuge das Ende ihrer Nutzungsphase erreichen. Bei der Zusammensetzung der Batterien geht die Studie davon aus, dass Lithium-Ionen-Batterien mit Lithium-Eisen-Phosphat als Kathodenmaterial an Bedeutung gewinnen werden. Ein zunehmender Anteil an Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien werde demnach vor allem dazu führen, dass der Bedarf an Nickel und Kobalt sinkt. Der Bedarf an Lithium und Graphit werde sich durch diesen technologischen Trend hingegen kaum verändern.
Zusätzlich zu den Potenzialen zur Wiederverwertung von Batterierohstoffen in der EU müssten auch die Wertschöpfungsketten der Primärproduktion erheblich ausgebaut werden. Die von der EU und ihren Mitgliedstaaten bislang angestrebten Initiativen zur Versorgung mit Batterierohstoffen und deren Verarbeitung reichten nicht aus, um die Abhängigkeit der EU von Rohstoffimporten und Zwischenprodukten aus Drittstaaten in den kommenden Jahren deutlich zu reduzieren. Hinzu komme die aktuell schwierige wirtschaftliche Lage mehrerer europäischer Zellhersteller. Auch Projekte für Anlagen zum Batterierecycling und zur Aufbereitung von Sekundärrohstoffen gerieten zuletzt ins Stocken. Umso wichtiger sei es, klare politische Signale für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität und zum Aufbau des Batterierecyclings zu setzen.
Geschäftsmodelle zur Erfüllung der erweiterten Herstellerverantwortung
Für das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien in der EU hat die Studie verschiedene Geschäftsmodelle untersucht. Nach der 2023 verabschiedeten EU-Batterieverordnung sind Fahrzeughersteller als Inverkehrbringer von Antriebsbatterien juristisch verpflichtet, ihre Batterien zurückzunehmen und Recyclingquoten für Lithium, Kobalt und Nickel einzuhalten. Um die Pflichten aus dieser erweiterten Herstellerverantwortung zu erfüllen, können sie das Recycling entweder selbst organisieren, mitunter mit eigenen Recyclinganlagen, oder eine Organisation für Herstellerverantwortung damit beauftragen.
Wie die Auswertung der Geschäftsmodelle nahelegt, werden Fahrzeughersteller umso mehr auf Dienstleister setzen, je weniger sie mit einem nationalen Markt vertraut sind. Je mehr Hersteller wiederum in einem Recyclingsystem eingebunden und je größer die Batteriemengen sind, desto eher lassen sich Kosten durch Skaleneffekte senken. Grenzüberschreitende Systeme seien aber aufgrund der national unterschiedlichen Rechtslage kompliziert und daher aus heutiger Sicht zumindest kurzfristig unwahrscheinlich. Um in Zukunft Recyclingsysteme mit größeren Stoffmengen zu ermöglichen, seien die rechtlichen Rahmenbedingungen EU-weit zu harmonisieren.
Kerstin Meyer, Projektleiterin bei Agora Verkehrswende: „Europa braucht eine Industriestrategie, die Produktion und Recycling von Antriebsbatterien zusammendenkt. Wer nur die Produktion im Blick hat, wird im globalen Wettbewerb nicht bestehen können. Der Markt wächst schnell und dynamisch. Die Recycling-Potenziale zu erschließen bedeutet, jetzt eine neue Hightech-Branche für Europa aufzubauen.“
Die Potenziale für Recycling-Rohstoffe ließen sich nur erzielen, wenn die Stoffkreisläufe geschlossen werden. Daher sei es wichtig zu verhindern, dass ausgediente Antriebsbatterien und die daraus gewonnenen Wertstoffe in Nicht-EU-Länder gelangen. Gleichzeitig müsse die EU gewährleisten, dass genügend Recycling- und Aufbereitungskapazitäten zur Verfügung stehen, damit Unternehmen ihre gesetzlichen Verpflichtungen in der EU erfüllen können.
Die Studie „Stoffkreisläufe für Antriebsbatterien. Rohstoffpotenziale des Batterierecyclings in der Automobilindustrie und Optionen zur Erfüllung der erweiterten Herstellerverantwortung in Europa“ steht hier kostenlos zum Download zur Verfügung.
Über Agora Verkehrswende
Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität mit Sitz in Berlin. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die überparteiliche und gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Analysen, Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Anfang 2016 von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Gesellschafter sind die beiden Stiftungen. www.agora-verkehrswende.de
Über Stiftung GRS Batterien
Die Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (Stiftung GRS Batterien) ist das nicht gewinnorientierte Kompetenzzentrum für Herstellerverantwortung und Kreislaufwirtschaft. Sie entwickelt und implementiert für die Batterie-Wirtschaft nachhaltige und auf zukünftige Kundenbedürfnisse ausgerichtete Rücknahme- und Recyclinglösungen, die auf intensiver Forschung und Entwicklung basieren. www.stiftung-grs.de
Über das Öko-Institut
Das Öko-Institut ist seit seiner Gründung vor mehr als 40 Jahren eine der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungseinrichtungen für eine nachhaltige Zukunft. Es erarbeitet Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten. www.oeko.de
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