Wege zu einer klimaverträglicheren Pkw-Flotte

Warum ein Bonus-Malus-System wirkungsvoller und sozial gerechter ist als ein Subventionsfüllhorn

Klimaschutz im Verkehrssektor: Zeit die Bremsen zu lösen

Bereits heute werden besorgniserregende Auswirkungen der durch menschliche Aktivitäten verursachten Erderwärmung sichtbar. Zur Vermeidung katastrophaler Folgen hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Klimaabkommen von Paris das Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C, zu begrenzen. Um dieses Ziel erreichen zu können, sind schnelle Emissionsminderungen in allen Sektoren und eine nahezu vollständige Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft innerhalb weniger Dekaden notwendig.

Auf nationaler Ebene strebt die Bundesregierung (weitgehende) Treibhausgasneutralität für Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts an. Bis zum Jahr 2030 soll eine Reduktion der Treibhausgasemissionen Deutschlands um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden. Mit dem Klimaschutzplan 2050 wurde auch erstmals ein Sektorziel für die CO2-Minderung im Verkehr festgelegt. Das Emissionsziel für 2030 liegt bei 95-98 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente, was einer Reduktion von 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 entspricht. Mit dem Bekenntnis der neuen Vorsitzenden der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, zu einer Verschärfung der europäischen Klimaziele für 2030 wird sich auch für Deutschland die Frage einer Ambitionserhöhung stellen. 

Die Dringlichkeit schneller und substanzieller CO2-Minderungen steht in deutlichem Widerspruch zur tatsächlich beobachteten Emissionsentwicklung der letzten Jahre, die im Wesentlichen durch Stagnation gekennzeichnet ist. Die Treibhausgasemissionen des deutschen Verkehrssektors lagen mit geschätzten 163 Mio. t CO2-Äquivalenten in 2018 auf dem gleichen Niveau wie 1990. Der Verkehr ist damit der einzige Sektor, dessen Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind. Verantwortlich hierfür waren nicht nur ein Anstieg der Fahrleistung, sondern auch der Trend zu größeren und höhermotorisierten Pkw, wodurch technische Effizienzgewinne konterkariert wurden. Ohne erhebliche und unverzügliche klimapolitische Zusatzanstrengungen, so zeigen verschiedene Projektionen, werden die selbst gesteckten Ziele weit verfehlt werden.

Pkw müssen effizienter und elektrifiziert werden

Von den direkten Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors in Deutschland entfallen etwa 95 Prozent auf den Straßenverkehr, wovon wiederum fast zwei Drittel dem Pkw-Verkehr zuzuordnen sind – dies sind etwa 100 Mio. Tonnen CO2. Der Emissionsminderung des Pkw-Verkehrs fällt mithin eine Schlüsselrolle zu. Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß des Straßenpersonenverkehrs lassen sich einerseits dadurch reduzieren, dass klimaverträgliche Modi wie die Schiene, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gestärkt werden und hierdurch eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr stimuliert wird. Unerlässlich ist es andererseits aber ebenso, dass der verbleibende Pkw-Verkehr energieeffizienter und seine Energieversorgung dekarbonisiert wird. Grundsätzlich gilt dabei, dass sich die Dekarbonisierung desto leichter und nachhaltiger bewerkstelligen lässt, je geringer der Energieverbrauch ist – auch weil erneuerbare Energieträger auf absehbare Zeit knapp bleiben und nicht frei von Umweltbeeinträchtigungen sind.

Der Energieverbrauch von Pkw lässt sich durch eine Verringerung der Fahrwiderstände (z.B. Reduktion des Roll- und Luftwiderstands), die Erhöhung des Wirkungsgrades bestehender Antriebsarten oder den Wechsel zu Antrieben mit grundsätzlich höherem energetischem Wirkungsgrad realisieren. Das bis 2030 – durch Verringerung der Fahrwiderstände und Verbesserung des Antriebsstrangs – erschließbare Potenzial zur Reduktion der spezifischen Emissionen von verbrennungsmotorischen Pkw wird auf rund 40 Prozent gegenüber dem heutigen Durchschnitt geschätzt. Einen noch deutlich größeren Effizienzsprung als die Optimierung des Verbrennungsmotors ermöglicht der Wechsel des Antriebsstrangs. Elektromotoren weisen einen etwa dreimal so hohen Wirkungsgrad wie Verbrennungsmotoren auf. Der Umstieg auf batterieelektrische Pkw geht folglich mit einem drastischen Rückgang des Endenergiebedarfs einher; bei Brennstoffzellenfahrzeugen ist der Vorteil aufgrund von Umwandlungsverlusten in der Brennstoffzelle merklich geringer. Hinsichtlich ihres direkten CO2-Ausstoßes sind elektrische Pkw sogar vollständig emissionsfrei. Aber auch unter Berücksichtigung der CO2-Emissionen bei der Fahrzeug- und Batterieproduktion sowie der Stromgestehung schneiden sie unter realistischen Annahmen regelmäßig besser als verbrennungsmotorische Fahrzeuge ab.

Eine erfolgversprechende Klimapolitik für den Verkehrssektor wird um eine konsequente Strategie zur Elektrifizierung und Effizienzverbesserung aller Antriebsarten somit nicht umhinkommen. Klar ist auch, dass die hierfür notwendigen Maßnahmen umgehend greifen und die Flottentransformation schnell gelingen muss, da heute verkaufte Fahrzeuge noch bis weit in die 2030er Jahre hinein die Emissionen der Pkw-Flotte prägen.

Die Realität: Stagnation statt Fortschritt

In der Realität ist statt der notwendigen Beschleunigung bei Effizienzfortschritt und Elektrifizierung jedoch vornehmlich gebremstes Tempo oder gar Stillstand zu beobachten. So wurden im Jahr 2018 knapp 70.000 Elektro-Pkw (inklusive Plug-in-Hybride) zugelassen, wodurch ihr Anteil am Gesamtbestand Ende 2018 mit ca. 150.000 Fahrzeugen bei etwa 0,3 Prozent lag. Zur Erreichung des Sektorziels im Verkehr sind voraussichtlich rund 10 Millionen Elektroautos im Fahrzeugbestand bis 2030 notwendig. Dies verdeutlicht die Dimension der Herausforderung.

Doch nicht nur der Markthochlauf bei der Elektromobilität stockt, auch die Verbesserung der Fahrzeugeffizienz stagnierte zuletzt. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß von in Deutschland neu zugelassenen Pkw lag 2018 bei etwa 130 g CO2 je Kilometer (gemessen nach NEFZ) und damit zum zweiten Mal in Folge über dem Niveau des Vorjahres. Verantwortlich für die stagnierenden CO2-Werte ist vornehmlich der Trend zu größeren, schwereren und höher motorisierten Pkw, durch den technische Fortschritte bei der Antriebseffizienz kompensiert werden.

Ein CO2-Preis ist notwendig, reicht allein aber nicht aus

Spätestens seit diesem Frühjahr - mit den wöchentlichen FridaysForFuture-Demonstrationen und dem starken Abschneiden der Grünen bei der Europaparlamentswahl –  ist das Thema CO2-Bepreisung in voller Breite in der öffentlichen und politischen Debatte angekommen. Es ist davon auszugehen, dass das Klimakabinett am 20. September einen Vorschlag zur Einführung eines CO2-Preises vorlegen wird. Gleichzeitig werden aus Teilen von Politik, Wirtschaft und auch Wissenschaft Stimmen laut, dass dann spezifische Instrumente zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung innovativer Antriebstechnologien weitgehend verzichtbar würden und zu unnötigen Kosten führten. Der Argumentation liegt die Prämisse zugrunde, dass ein solches Preissignal Unternehmen und Bürger bereits dazu bewegt, die jeweils günstigsten Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ergreifen. Zusätzliche Instrumente zur Beschleunigung von Effizienzfortschritt und Elektrifizierung würden die ökonomisch effiziente Lenkungswirkung des CO2-Preissignals verzerren.

Der auf den ersten Blick bestechenden Einfachheit und Kosteneffizienz einer vorwiegend monoinstrumentellen, auf den CO2-Preis setzenden Klimapolitik stehen bei vertiefter Betrachtung allerdings vielfältige Hemmnisse und Marktunvollkommenheiten im Weg. Diese rechtfertigen – auch aus ökonomischer Perspektive – einen differenzierten Policy Mix für den Klimaschutz im Verkehr, zu dem auch spezifische Instrumente zur Effizienzsteigerung und Elektrifizierung der Pkw-Flotte gehören.

Gerade hinsichtlich des Markthochlaufs neuer Antriebtechnologien greift ein CO2-Preis allein zu kurz. Innovative Antriebstechnologien haben das Potenzial, die gesetzten Klimaziele in langfristiger Perspektive kostengünstiger – bzw. überhaupt – zu erreichen. Kurzfristig sind die neuen Technologien allerdings zunächst teurer als die etablierten Technologiesysteme, die ihr Kostensenkungspotenzial schon weitgehend ausgeschöpft haben. Verstärkt werden die anfänglichen Wettbewerbsnachteile innovativer Antriebstechnologien noch dadurch, dass der parallele Aufbau einer (investitionsintensiven) komplementären Energieversorgungsinfrastruktur notwendig ist. Ohne eine gezielte anfängliche Unterstützung besteht somit eine hohe Gefahr, dass die Marktdurchdringung wichtiger Zukunftstechnologien verzögert wird – mit negativen Folgen sowohl für die langfristige ökonomische Effizienz als auch für das Klima.

Auch mit Blick auf die Investitionssteuerung bei etablierten Technologien sind CO2-Preissignale allein oftmals unzureichend. Um kosteneffiziente Entscheidungen über Investitionen in langlebige Gebrauchsgüter wie Pkw treffen zu können, müssen die damit verbundenen langfristigen Folgekosten vollständig berücksichtigt werden. Studien zeigen allerdings, dass die aus dem Kraftstoffverbrauch eines Pkw resultierenden Langfristkosten vielfach nur unvollständig in die Kaufentscheidung der privaten Haushalte Eingang finden. Die auf Basis unvollständig berücksichtigter Folgekosten getroffenen Entscheidungen – zugunsten zu wenig energieeffizienter Fahrzeuge – erweisen sich dann als langfristig ökonomisch ineffizient, sowohl aus volks- als auch privatwirtschaftlicher Perspektive.

Zuschüsse und Steuerprivilegien für Elektroautos

Spezifische Instrumente zur Förderung der Energie- bzw. CO2-Effizienz und der Elektrifizierung der Pkw-Flotte können folglich die langfristigen Kosten der klimapolitischen Zielerreichung senken und auch die einzelnen Verbraucher entlasten. Solche Instrumente sind auch bereits heute Teil des klimapolitischen Instrumentariums. Neben Förderprogrammen zum Auf- und Ausbau der Energieversorgungsinfrastruktur für alternative Antriebe sind dies insbesondere verschiedene Instrumente, die auf das Pkw-Angebot und die Kaufentscheidung der Konsumenten wirken sollen.

Umweltbonus

Ein zentrales Instrument auf nationaler Ebene, um die Marktdurchdringung elektrischer Antriebe zu fördern, ist der sogenannte Umweltbonus. Hierbei handelt es sich um eine Kaufprämie für batterieelektrische Fahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge. Für rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge beträgt der Umweltbonus 4.000 Euro, für Plug-in-Hybride 3.000 Euro. Der Bundesanteil an der Förderung liegt bei 2.000 Euro bzw. 1.500 Euro für Plug-in-Hybride; der jeweilige Fahrzeughersteller muss einen Eigenanteil in mindestens gleicher Höhe leisten. Inwieweit dieser Eigenanteil eine tatsächlich zusätzliche Förderung seitens der Hersteller darstellt, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Die bisherige Bilanz des Umweltbonus fällt recht ernüchternd aus: Das Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, wird voraussichtlich klar verfehlt. Dennoch gilt den Regierungsparteien eine Verlängerung und Erhöhung des Umweltbonus als ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr.

Steuerprivilegien für Elektrofahrzeuge

Weitere Förderungen für Elektrofahrzeuge finden sich bei der steuerlichen Behandlung privat genutzter Dienstwagen und der Kfz-Besteuerung. Wird ein Pkw den Arbeitnehmenden zur privaten Nutzung überlassen, erhöht sich deren monatliches zu versteuerndes Einkommen um 1 Prozent des Brutto-Listenpreises des Fahrzeugs. Für reine Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride ist dieser Satz auf 0,5 Prozent halbiert. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch, den Satz für (reine) Elektrofahrzeuge noch weiter abzusenken oder sogar die private Nutzung eines elektrischen Dienstwagens steuerlich komplett zu befreien. Auch mittels der Kfz-Steuer soll der Kauf von Pkw mit geringem CO2-Austoß stimuliert werden. Elektrofahrzeuge werden für zehn Jahre ganz von der Kfz-Steuer befreit. Die ökologische Lenkungswirkung der gegenwärtigen Kfz-Steuer bleibt allerdings insgesamt schwach – aufgrund ihrer geringen Höhe und Sichtbarkeit.

Zuckerbrot ohne Peitsche setzt falsche Anreize

Sowohl gegen das gegen das Instrument einer reinen Kaufprämie als auch die steuerliche Privilegierung von privat genutzten Dienstwagen lässt sich einwenden, dass sie tendenziell zu mehr Fahrzeugen – und damit verbundenen (externen) Kosten – führen, eine autoaffine Mobilitätskultur stützen und damit den Zielen einer Mobilitätswende zuwiderlaufen. Überdies setzen sie keinerlei Anreize für die Anschaffung kleinerer und sparsamerer verbrennungsmotorischer Fahrzeuge. Insbesondere bei der Dienstwagenbesteuerung kann die steuerliche Besserstellung elektrischer Antriebe allein die strukturellen Fehlanreize, die zu einer übermäßigen Pkw-Nutzung führen, nicht beseitigen.

Bonus-Malus-System: Push & Pull für Effizienz und Elektrifizierung

Mit Blick auf die notwendige Effizienzverbesserung und Elektrifizierung der Pkw-Flotte zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern Europas, dass die Nachfrage nach elektrischen und hocheffizienten Pkw durch beim Fahrzeugkauf ansetzende finanzielle Anreize wirksam stimuliert werden kann. Beim Fahrzeugkauf bzw. der Erstzulassung fällig werdende Zahlungen entfalten oftmals eine stärkere Lenkungswirkung als über die gesamte Fahrzeuglebensdauer verteilte Zahlungsströme –wie etwa eine jährlich zu entrichtende Kfz-Steuer. Zeitlich gestreckte, jeweils nur geringe Zahlungen können bei der Entscheidungsfindung leicht in den Hintergrund rücken – gerade im Vergleich zu beim Fahrzeugkauf gut sichtbaren Entscheidungsparametern (bspw. Fahrzeuggröße, Leistung, Ausstattung, Kaufpreis).

Ein beim Fahrzeugkauf bzw. der Erstzulassung ansetzendes Bonus-Malus-System ist ein in dieser Hinsicht sehr vielversprechendes Instrument. Käufer von Fahrzeugen mit spezifischen CO2-Emissionen unterhalb eines Schwellenwertes erhalten einen Zuschuss; emissionsintensive Fahrzeuge werden hingegen bei der Anschaffung durch einen Malus zusätzlich belastet. Sparsame bzw. emissionsarme Fahrzeuge werden hierdurch für die Autokäufer attraktiver. Insbesondere innovative, lokal emissionsfreie Antriebstechnologien profitieren von einem am direkten CO2-Ausstoß orientierten Bonus-Malus-System. Der „Pull-Impuls“ des Bonus wird – anders als bei der reinen Kaufprämie und Steuerprivilegien für E-Autos – um den „Push-Impuls“ des Malus ergänzt. Zudem werden in einem Bonus-Malus-System auch Effizienzverbesserungen bei verbrennungsmotorischen Fahrzeugen, die noch einige Jahre den Großteil der Neuwagenverkäufe ausmachen werden, effektiv angereizt. Bei durchdachter Ausgestaltung des Systems kann die Nachfrage nach klimaverträglicheren Fahrzeugen somit deutlich stimuliert werden.

Der Schwellenwert, der festlegt, ob für ein Fahrzeug Bonus- oder Malus-Zahlungen fällig werden, sollte im Zuge fortschreitendenden Effizienzfortschritts und steigender Klimaschutz-Ambitionen regelmäßig abgesenkt werden. Ansonsten würden die vom Staat zu leistenden Bonus-Zahlungen kontinuierlich zunehmen, während die Einnahmen durch Mali stetig sinken. Dies ginge mit einer zunehmenden Belastung des Staatshaushalts einher. Weit überwiegende Bonus-Zahlungen würden ferner eine Subventionierung des Pkw-Kaufs implizieren, was den Zielen einer Mobilitätswende entgegenwirkt. Ebenso wie der Schwellenwert sollte auch der Bonus-Malus-Satz je Gramm CO2 regelmäßig überprüft und angepasst werden, um auf technische und Marktentwicklungen zu reagieren sowie die Zielerreichung sicherzustellen.

Um Verzerrungen beim Kaufverhalten seitens der Kunden und beim Fahrzeugdesign seitens der Hersteller zu vermeiden, sollte die Bestimmung von Boni bzw. Mali mittels einer stetigen Funktion erfolgen. Weist die sogenannte Bonus-Malus-Funktion stattdessen Sprungstellen auf (d.h. abrupte, größere Änderungen der Höhe des Bonus bzw. Malus), können Verzerrungen auftreten: Es würden verstärkt solche Fahrzeuge angeboten und gekauft, deren CO2-Emissionen jeweils knapp unterhalb eines Sprungstellen-CO2-Wertes liegen. Diese Verzerrung ist mit ökonomischen Ineffizienzen verbunden, kann die ökologische Lenkungswirkung schwächen und mit Risiken für den Staatshaushalt einhergehen (wie das französische Beispiel zeigt). Durch eine stetige Bonus-Malus-Funktion werden hingegen kontinuierlich – und nicht nur in der Nähe von Sprungstellen – Verbesserungsanreize gesetzt.

Perspektivisch könnte ein Bonus-Malus-System um zusätzliche Anreize für Energieeffizienz ergänzt werden. Bemisst sich die Höhe der Boni bzw. Mali ausschließlich am direkten CO2-Ausstoß am Fahrzeug, bestehen keine regulatorischen Anreize zur Reduktion des spezifischen Stromverbrauchs (bzw. Wasserstoffverbrauchs) von Elektrofahrzeugen. Doch auch mit diesen lokal emissionsfreien Energieträgern sollte im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst sparsam umgegangen werden. Mittels einer Energieeffizienzprämie für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb könnten vorgelagerte Ressourcenverbräuche und Umweltbelastungen adressiert werden. Durch eine solche ergänzende Energieeffizienz-Komponente würden sparsame Elektroautos gegenüber solchen mit hohem spezifischen Energieverbrauch finanziell bessergestellt. Zumindest in mittelfristiger Perspektive sollte der Energieeffizienz auch von Elektrofahrzeugen größeres Augenmerk geschenkt werden.

Haushaltswirkung und soziale Verteilungseffekte

Die Kosten- und Verteilungswirkungen klimapolitischer Maßnahmen im Verkehr sind ein entscheidender Faktor für ihre gesellschaftliche Akzeptanz und politische Durchsetzbarkeit. Ein Bonus-Malus-System lässt sich so parametrisieren, dass es weitgehend aufkommensneutral ist. Die Summe ausgezahlter Boni würde dann durch die von den Käufern emissionsintensiver Pkw gezahlten Mali finanziert. Demgegenüber wird die bisherige Kaufprämie für Elektrofahrzeuge aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) und damit indirekt – über dessen Bundeszuschuss – aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert. Gleichermaßen belastet auch die privilegierte Behandlung von Elektrofahrzeugen bei der – ohnehin niedrigen –Besteuerung von privat genutzten Dienstwagen die öffentlichen Haushalte.

Während also diese beiden Förderinstrumente von allen Steuerzahlern finanziert werden, profitieren von ihnen insbesondere einkommensstarke Haushalte, die sich ein Neufahrzeug leisten können. Wirtschaftlich schwache Haushalte kaufen in der Regel weder Neuwagen, noch steht ihnen normalerweise ein privat nutzbarer Dienstwagen zur Verfügung. In einem Bonus-Malus-System wird die Förderung neuer Antriebe hingegen insbesondere durch die Käufer schwerer, hochmotorisierter und meist auch hochpreisiger Fahrzeuge finanziert. Daher ist ein Bonus-Malus-System aus verteilungspolitischer Perspektive sozial ausgewogener als das derzeitige Förderregime.

Auch mit einem weitgehend aufkommensneutralen Bonus-Malus-System ist nicht gänzlich auszuschließen, dass einkommensschwache Haushalte aufgrund indirekter Effekte eine zusätzliche Belastung erfahren. Dies gilt insbesondere für Haushalte, die aufgrund ihrer spezifischen Situation auf ein größeres (verbrennungsmotorisches) Fahrzeug angewiesen sind, deren Preise – auch im Gebrauchtwagenmarkt – durch die Einführung eines Bonus-Malus-Systems (moderat) steigen könnten. Beispielhaft seien hier auf dem Land lebende Familien mit mehreren Kindern genannt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass viele Fahrzeugtypen, die aufgrund ihres hohen CO2-Ausstoßes mit höheren Mali belegt würden – wie beispielsweise Sportwagen, schwere Geländewagen und Oberklassefahrzeuge – auch als Gebrauchtwagen wenig in einkommensschwachen Haushalten zu finden sind. Sparsame Fahrzeuge aus den unteren Pkw-Segmenten dürften hingegen auch im Gebrauchtwagenmarkt günstiger werden.

Die mit einem aufkommensneutralen Bonus-Malus-System – gegenüber einem reinen Subventionssystem – eingesparten öffentlichen Mittel eröffnen ferner ausreichend finanziellen Spielraum, um solche betroffenen Gruppen durch eine gezielte Mittelverwendung zu entlasten. Zudem lässt sich das Bonus-Malus-System so parametrisieren, dass für ein sparsames Familienauto kein oder ein nur sehr geringer Malus anfällt, auch wenn es mit Benzin oder Diesel betankt wird.

Wechselspiel mit europäischen CO2-Flottengrenzwerten: Gibt es einen Wasserbetteffekt?

Zentrale Leitplanken für die Entwicklung der Fahrzeugeffizienz werden durch die europäischen CO2-Flottengrenzwerte gesetzt. Für Pkw gilt derzeit noch ein Zielwert von 130 g CO2 je Fahrzeugkilometer. Dieser Wert bezieht sich auf die durchschnittlichen CO2-Emissionen aller in Europa neu verkauften Pkw. Ab dem Jahr 2021 muss die Flotte der neu zugelassenen Pkw den dann gültigen europäischen Grenzwert von 95 g CO2 einhalten. Weitere Verschärfungen der Flottengrenzwerte für die Jahre 2025 und 2030 wurden kürzlich beschlossen: Bis zum Jahr 2025 müssen die spezifischen CO2-Emissionen der europäischen Pkw-Flotte um 15 Prozent und bis 2030 um 37,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 absinken, wobei der 2030-Zielwert noch unter dem Vorbehalt einer Überprüfung im Jahr 2023 steht.

Ein zentraler Kritikpunkt an einer zusätzlichen Bonus-Malus-Regelung, der gleichermaßen allerdings auch andere den Fahrzeugkauf adressierende nationale Instrumente betrifft, zielt auf ihre tatsächliche klimapolitische Wirksamkeit im europäischen Kontext. Durch das Wechselspiel mit den europäischen CO2-Grenzwerten als übergreifendem ordnungsrechtlichen Rahmen würde der Effekt eines deutschen Bonus-Malus-Systems vollständig aufgezehrt. Grundlage dieses Arguments ist der sogenannte Wasserbetteffekt: Werden durch ein nationales Bonus-Malus-System deutsche Käufer dazu angereizt, mehr elektrifizierte und emissionsärmere Pkw anzuschaffen, können im europäischen Ausland emissionsintensivere Fahrzeuge verkauft werden – ohne dass hierdurch der europaweite Durchschnittswert der CO2-Emissionen ansteigt und den Herstellern Strafzahlungen drohen. Aufgrund dieses Wasserbetteffekts bliebe ein deutsches Bonus-Malus-System aus einer europaweiten Perspektive letztlich weitgehend wirkungslos: während die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs hier sänken, stiegen sie bei unseren Nachbarn in gleichem Maße an.

Diese vermeintliche Wirkungslosigkeit eines deutschen Bonus-Malus-Systems aus Klimasicht gilt jedoch nur in einer statischen Perspektive und unter der Voraussetzung, dass die Flottengrenzwerte dauerhaft bindend sind. Stattdessen wäre es zum einen möglich, dass die europaweiten CO2-Durchschnittsemissionen der Neuwagenflotte mittelfristig unter den Zielwert der europäischen Regulierung fallen. Diese Situation könnte eintreten, wenn auch in einigen anderen großen europäischen Pkw-Märkten ambitionierte Bonus-Malus-Systeme bzw. wirkungsähnliche Anreizregime implementiert würden. Tatsächlich haben schon einige europäische Staaten solche Systeme implementiert oder planen dies. Würde Deutschland als europaweit größter Neufahrzeugmarkt sich hinzugesellen, könnte eine unvorhergesehene Marktdynamik ausgelöst werden, sodass die europäischen CO2-Durchschnittswerte deutlich schneller als prognostiziert sinken. Zum anderen würde ein – durch eine Bonus-Malus-Regelung gestütztes – beschleunigtes Absinken der CO2-Emissionen der Neufahrzeugflotte politische Spielräume für ambitioniertere Langfristziele eröffnen; dies betrifft sowohl die Überprüfung des 2030-Ziels als auch nachfolgende Ziele für die Pkw-Effizienz. Umgekehrt besteht ohne die durch ein Bonus-Malus-System gesetzten Anreize ein Risiko, dass der 2030-Zielwert im Zuge der geplanten Überprüfung aufgeweicht wird. In einer dynamischen Perspektive bleibt ein deutsches Bonus-Malus-System also keinesfalls notwendigerweise für das Klima wirkungslos.

Hinzu kommt noch, dass durch ein Bonus-Malus-System kontinuierliche Anreize zur Effizienzverbesserung gesetzt werden, während die EU-Flottengrenzwerte eher sprunghafte Verbesserungen anreizen. Europäische CO2-Zielwerte werden in Intervallen von etwa fünf Jahren gesetzt (2015, 2021, 2025, 2030); in den Zwischenjahren bleibt der Grenzwert des vorgehenden Zieljahres gültig. Dementsprechend richten Pkw-Hersteller ihre Produktions- und Marketingstrategien darauf aus, ihre Emissionen zum jeweils nächsten Zieljahr hin zu drücken; in den Zwischenjahren fallen die Minderungsanreize schwächer aus. Durch die parallele Existenz nationaler Bonus-Malus-Regelungen kann eine gleichmäßigere Minderungstrajektorie angereizt werden – mit niedrigeren CO2-Emissionswerten in den Jahren, bevor ein neuer Zielwert greift. Auch hierdurch wird ein effektiver Klimaschutzbeitrag geleistet, da für das Ausmaß der Erderwärmung die kumulierten CO2-Emissionen maßgeblich sind.

Fazit

Verschiedene Szenarien und Projektionen zeigen, dass die bisher umgesetzten und geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehr bei Weitem nicht ausreichen. Angesichts seines dominanten Emissionsanteils wird der Straßenpersonenverkehr einen entscheidenden Minderungsbeitrag leisten müssen. Hierbei ist ein wesentlicher Ansatzpunkt, den spezifischen CO2-Ausstoß neuzugelassener Pkw schnell und erheblich zu senken. Dazu ist sowohl der Markthochlauf elektrischer Antriebe als auch der Effizienzfortschritt bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor deutlich zu beschleunigen.

Eine sinnvolle Erweiterung des bisherigen Instrumentenmix ist ein beim Fahrzeugkauf ansetzendes Bonus-Malus-System. Durch dieses – in einigen Ländern bereits etabliertes –  Instrument kann der Kauf sparsamer und klimaverträglicher Pkw in effektiver, aufkommensneutraler und sozial ausgewogener Weise angereizt werden. Ein Bonus-Malus-System kann einen wichtigen Impuls für die beschleunigte Modernisierung der Pkw-Flotte aussenden. Komplementär zu diesem Push-Impuls braucht gerade die Elektrifizierung auch einen starken Pull-Impuls, der insbesondere aus einer ausreichend dichten und nutzerfreundlichen Lade-Infrastruktur besteht.

Obgleich ohne schnelle Effizienzfortschritte und die beschleunigte Elektrifizierung der Pkw-Flotte die Ziele für den gesamten Verkehrssektor in weite Ferne rücken, ist unverzügliches und engagiertes Handeln auch in allen anderen Handlungsfeldern der Verkehrswende unabdingbar.

Alle Beiträge von Dr. Carl-Friedrich Elmer

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