Neusprech auf Rädern

In der Diskussion über synthetische Kraftstoffe wird versucht, den Effizienzbegriff umzudeuten. Doch der Fall bleibt eindeutig: BEVs sind mit Abstand effizienter

Dr. Günter Hörmandinger

Im Oktober 2020 hat die Beratungsfirma Frontier Economics eine Studie veröffentlicht, die es sich zur Aufgabe macht, eine „gesamtheitliche Untersuchung der Effizienz“ in der klimapolitischen Debatte zum Straßenverkehr vorzunehmen. Diese Studie hat bei einigen Akteuren zu Verunsicherung und Verwirrung geführt.

Dabei geht es nicht um eine abstrakte Diskussion von Fachbegriffen. Der Hintergrund ist vielmehr die Debatte, ob synthetische flüssige Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Elektrizität (Power-to-Liquid, PtL) im Straßenverkehr eine sinnvolle Alternative zu Batteriefahrzeugen (Battery Electric Vehicle, BEV) darstellen. Im Zusammenhang mit politischen Entscheidungen wie etwa zur EU-Verordnung über die Flottengrenzwerte von Pkw spielt die Bewertung dieser Frage eine wichtige Rolle.

In der Studie werden zwei Vergleichsfälle betrachtet. Zum einen ist dies ein Batteriefahrzeug, das in Deutschland hergestellte erneuerbare Elektrizität nutzt. Zum anderen wird ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor betrachtet, das mit PtL-Kraftstoff fährt, der mit erneuerbarem Strom in Drittländern produziert wird. Die Studie kommt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Effizienz der Nutzung von Ökostrom in BEVs nicht wie in anderen Studien gefunden rund 70 Prozent beträgt, sondern laut der in der Studie entwickelten „gesamtheitlichen Analyse“ lediglich 13 bis 16 Prozent und damit in einer vergleichbaren Größenordnung wie jene von Pkw, die PtL im Verbrennungsmotor nutzen bei einer Effizienz von 10 bis 13 Prozent je nach Szenario.

Agora Verkehrswende erachtet dieses Ergebnis als irreführend und falsch. Es beruht wesentlich auf einer unangebrachten Umdefinition des Effizienzbegriffs. 

Was bedeutet Effizienz bei Straßenfahrzeugen?

In technischen Zusammenhängen versteht man unter der Effizienz einer Maschine oder eines Prozesses das Verhältnis von Output zu Input. Im betrachteten Fall des Antriebs von Straßenfahrzeugen durch erneuerbaren Strom ist dies das Verhältnis der am Rad ansetzenden Vortriebsarbeit, die für die Überwindung einer bestimmten Distanz benötigt wird (wobei auch Energieverbraucher an Bord wie z. B. Heizung und Kühlung berücksichtigt werden müssen), zu der am Anfang eingesetzten Inputenergie. Die Nutzbarmachung von Solar- und Windenergie erfolgt in der Form von Elektrizität. Daher ist die Inputenergie hier die Menge an erneuerbarem Strom, der ursprünglich erzeugt werden muss. 

An dieser Stelle setzt die Studie an. Sie verweist auf die wohlbekannte Tatsache, dass es in bestimmten Weltregionen höhere Sonneneinstrahlung oder höheres Windaufkommen gibt als hierzulande. Die Studie gibt die Auslastung einer Solaranlage in Nordafrika, ausgedrückt als äquivalente Volllaststunden, mit einer Größenordnung von über 2300 Stunden im Jahr an, während diese in Deutschland unter 1000 Stunden liegt. Windturbinen in besonders windreichen Regionen wie z. B. Patagonien kommen auf über 4700 Stunden Volllast, gegenüber etwas mehr als 2000 Stunden in Deutschland an Land bzw. knapp 3400 Stunden in Offshore-Windparks.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Um diese elektrische Energie nutzen zu können, muss sie wegen der großen Entfernung in chemische Energieträger umgewandelt und hierher transportiert werden, was eine beträchtliche Anzahl an Prozessen und Energieumwandlungsschritten erfordert.

Auslastungsfaktor gehört nicht zur Effizienz

Es ergibt durchaus Sinn, diesen Weg der Energiebereitstellung mit einer Direktnutzung heimisch erzeugten erneuerbaren Stroms zu vergleichen, und eine Reihe von Studien hat dies auch schon getan. Es hat aber keinen Sinn, das lokal jeweils unterschiedliche Energieangebot in den Begriff der Effizienz einzurechnen. Genau dies ist jedoch der Kern der Methode von Frontier Economics, mit der die behauptete energetische Vergleichbarkeit der beiden Alternativen begründet wird. 

Wie gesagt wird die gleiche Windturbine an günstigen Standorten in Patagonien mehr Strom produzieren als in Deutschland, nicht weil sie effizienter ist, sondern weil das Windaufkommen dort höher ist. Für diesen Sachverhalt gibt es schon einen Begriff, nämlich den sogenannten Auslastungsfaktor, der durch das Verhältnis der schon erwähnten Volllaststunden zu den gesamten 8760 Stunden eines Jahres bestimmt wird. Der Auslastungsfaktor ist keine Eigenschaft der Windturbine, sondern des Standorts, und hat daher in der Effizienzdefinition nichts zu suchen.

Vergleichbares gilt für Solarzellen. Der PtL-Energieversorgungspfad ist offensichtlich mit viel höheren Energieverlusten behaftet als die direkte Verwendung erneuerbar erzeugten Stroms in Batteriefahrzeugen, was auch in der Studie nicht bestritten wird (wenn auch noch vieles zur Wahl der einzelnen Rechenparameter gesagt werden könnte). Dies durch eine Umdefinition des Effizienzbegriffs wegzuleugnen, führt zu Orwellschem Neusprech in der Energiedebatte und ergibt keinen Sinn. 

PtL-Kraftstoffe sind keine Option für Pkw

Fragen der langfristigen Wirtschaftlichkeit, der Mengenpotenziale sowie der Nachhaltigkeitskriterien für die Erzeugung von PtL werden in der kommentierten Studie weitestgehend ausgeblendet. Der hohe Primärenergiebedarf in der Herstellung von PtL erhöht zusätzlich den Druck auf die auch in anderen Weltregionen unverzichtbare Ausweitung der erneuerbaren Stromerzeugung.

Hinzu kommt, dass auch Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie Ressourcen verbrauchen. Daher ist die größtmögliche Effizienz im Verbrauch dieses erneuerbaren Stroms nach wie vor von höchster Wichtigkeit und wird dies auch auf absehbare Zeit bleiben. Dies ist übrigens auch in völliger Übereinstimmung mit der Energieeffizienzstrategie der Bundesregierung. Der PtL-Pfad muss somit auf jene Anwendungen beschränkt bleiben, für die nach heutigem Kenntnisstand keine Alternativen vorhanden sind, also insbesondere den Langstreckenflugverkehr.

Zusammenfassend ist die in der Studie von Frontier Economics behauptete Vergleichbarkeit der Effizienz der beiden Energiepfade im Straßenverkehr nicht gegeben. Die Direktnutzung von Strom im Elektrofahrzeug bleibt die mit Abstand effizientere und umweltverträglichere Lösung.

Zuerst erschienen in Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility am 23.04.2021.

 

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