Zufallsgewinne sollten Ladesäulen finanzieren

Vielen Kommunen fehlt das Personal für einen raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur sollte die Bundesregierung die Mineralölwirtschaft stärker in die Verantwortung nehmen, mehr Schnellladesäulen bereitzustellen.

Wie wird die richtige Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität aussehen? Das ist ein Thema, das gerade viele beschäftigt – vor allem in Städten und Gemeinden. Seit 2020 kommen immer mehr Elektroautos auf den Markt. Im August – wie auch in den Monaten davor – war etwa jedes vierte neu zugelassene Auto ein Elektroauto. Damit bis 2030 ausreichend Ladeinfrastruktur für 15 Millionen reine Elektroautos zur Verfügung steht, muss noch viel geschehen. Es geht einerseits um die Frage, wie gerade Kommunen schnell zu mehr öffentlich zugänglichen Ladesäulen kommen und andererseits darum, wo diese Ladesäulen Platz finden. Das ist insbesondere für diejenigen wichtig, die keinen eigenen Stellplatz und privaten Ladepunkt besitzen, sondern auf öffentlich zugängliches Laden angewiesen sind.

Engpässe in Kommunen

Doch gerade in dicht besiedelten Stadtquartieren ist der Platz knapp. Andere Ziele der Stadtentwicklung – wie zum Beispiel die Entwicklung eines durchgängigen und engmaschigen Radwegenetzes – konkurrieren um den öffentlichen Raum. Das kann im Konflikt stehen mit einer Ladestrategie, die hauptsächlich auf Normallladen am Straßenrand setzt. Für die Verkehrswende in der Stadt ist aber beides nötig: sowohl der Wechsel zu Elektromobilität als auch mehr Platz für die Alternativen zum privaten Pkw. Die Infrastruktur in der Stadt muss beiden Anforderungen gerecht werden.

Planung und Bau solcher Infrastruktur erfordern allerdings neben Finanzmitteln auch hinreichende personelle Kapazitäten in den Städten und Gemeinden. Allein die Standortsuche und Genehmigung von Ladeinfrastruktur ist aufwändig. Der DIN-Leitfaden für Ladeinfrastrukturplanung umfasst stolze 43 Seiten. Wer diesen Prozess sauber abarbeiten will, braucht dafür in der Stadtverwaltung ein ganzes Team von Mitarbeiter:innen. Das Problem: Häufig ist das Personal knapp und Mitarbeiter:innen sind mit anderen Aufgaben bereits ausgelastet.

Der Bund hat das erkannt und adressiert das Problem im Entwurf des Masterplans Ladeinfrastruktur. Mit dem Masterplan, der in den kommenden Tagen veröffentlicht werden soll, will die Bundesregierung die Gesetze und Förderprogramme auf den Weg bringen, um den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Im Entwurf sind rund 30 regionale Ladeinfrastrukturmanager:innen vorgesehen, um die Städte zu unterstützen. Diese neu zu schaffenden Personalstellen sind zwar ein guter Ansatz, aber 30 Stellen für alle Städte und Gemeinden in Deutschland sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein; insbesondere wenn diese Stellen bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur – und nicht vor Ort – angesiedelt sein sollten.

Schnellladen an Tankstellen

Ein wichtiger Teil einer Grundversorgung in den Städten und Gemeinden wäre schon geschaffen, wenn Tankstellen mehr Ladeinfrastruktur anbieten würden. Geladen würde dann dort, wo momentan schon getankt wird. Tankstellen gibt es überall in Deutschland, von der Innenstadt in Stuttgart bis zur Insel Rügen. Schnellladepunkte an Orten des täglichen Lebens sind eine besonders sinnvolle Form der Ladeinfrastruktur, weil weniger öffentlicher Raum erforderlich ist und dort schnell viel Strom für viele Fahrzeuge angeboten werden kann und weil sie sich so voraussichtlich schneller rechnen als Normallladepunkte. Die Bundesregierung sollte deswegen die Mineralölwirtschaft stärker in die Verantwortung nehmen, an Tankstellen Schnellladepunkte für Elektroautos zu schaffen.

Die Mineralölwirtschaft muss ohnehin – besser früher als später – Geschäftsfelder für ein klimaneutrales Zeitalter erschließen, wenn sie am Markt bestehen will. Je länger sie aufgrund hoher Preise und damit großer Margen an der fossilen Wirtschaftsweise festhält, desto schwieriger wird es für sie, rechtzeitig umzusteuern. Irgendwann werden sich Tankstellen, die – neben Konsumgütern des täglichen Bedarfs – ausschließlich Benzin und Diesel anbieten, nicht mehr rentieren. Einige Unternehmen haben das bereits erkannt und investieren heute schon in Schnellladepunkte an ihren Standorten oder aber an Orten des täglichen Lebens jenseits der eigenen Tankstelle, zum Beispiel auf Parkplätzen an Supermärkten. Das ist wünschenswert und vermutlich eine Konsequenz der Treibhausgasminderungsquote, in der die Errichtung von Ladesäulen auf die Treibhausgasminderungsziele der Industrie angerechnet werden kann. Nach Lage der Dinge ergibt sich aus dieser Regelung aber noch kein hinreichender Anreiz, das überall zu tun. 

Zufallsgewinn verpflichtet

Der Aufbau von Ladeinfrastruktur ist natürlich auch eine Frage des Geldes. Die Förderung von Ladeinfrastruktur ist teuer. Das heißt nicht, dass man Ladeinfrastruktur überhaupt nicht mit staatlichem Geld unterstützen sollte: Während des Markthochlaufs der Elektromobilität gibt es Förderbedarf und auch Personalstellen bei Kommunen sind eine sinnvolle Investition. Aber in Zeiten immer knapperer öffentlicher Kassen und steigender Preise sollte die Bundesregierung jede Maßnahme in Betracht ziehen, die mehr sinnvolle Ladeinfrastruktur schafft, ohne gleichzeitig den Haushalt zu belasten.

Während die verschiedenen Entlastungspakete der vergangenen Monate den Druck auf die öffentliche Hand und die privaten Haushalte erhöhen, hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit seinen Folgen für die Rohstoffmärkte bei den Mineralölunternehmen zu gestiegenen Einnahmen geführt. Ein genauer Einblick in die Zahlen ist schwierig, es mangelt noch an Transparenz. Nach Schätzungen von Greenpeace hat die Mineralölindustrie allein auf dem deutschen Markt seit Ausbruch des Krieges 38 Millionen Euro extra eingenommen – und das jeden Tag. Mit den täglichen Zufallsgewinnen der Mineralölwirtschaft in Deutschland könnte man etwa 400 Hochleistungsladepunkte mit 150 kW errichten. Diese Extra-Einnahmen reichen inzwischen locker aus, um den Finanzierungsbedarf für Ultraschnellladepunkte für die kommenden Jahre zu decken.

Es ist deshalb gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage unverständlich, warum im Entwurf des Masterplans Ladeinfrastruktur zwar von der Mitwirkung der Automobilwirtschaft die Rede ist, nicht aber von der Mitwirkung der Mineralölindustrie – zumal der Aufbau von Ladeinfrastruktur die Zukunft dieser Industrie sichert. Fällt eine Investitionsoffensive aus Sicht der Bundesregierung nicht überzeugend genug aus, sollte die Anpassung der rechtlichen Anforderungen an die Mineralölindustrie erwogen werden – zum Beispiel über eine Versorgungsauflage, die so zu einem effektiven Instrument werden würde. Damit könnten die nun angefallenen Zufallsgewinne dazu beitragen, vor allem Kommunen zu entlasten, Ladeinfrastruktur in dicht besiedelten Gebieten zu schaffen und damit einer der zentralen Herausforderungen beim Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland zu begegnen.



Dieser Beitrag ist zuerst erschienen als Standpunkt im Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility: https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/zufallsgewinne-sollten-ladesaeulen-finanzieren

 

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