Dienstwagenprivileg: Wie die Ampel die Verkehrswende ausbremst

Die steuerlichen Ausnahmeregelungen für Dienstwagen führen zu einer ökologischen und sozialen Schieflage im Verkehrsbereich.

Benjamin Fischer

Die Hoffnungen auf eine prägnante grüne Handschrift insbesondere im Verkehrsbereich waren groß. Doch nun verzichtet die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf höhere und stärker an Emissionen orientierte Abgaben im Pkw-Verkehr, die für eine ökologische Transformation notwendig wären. Sie setzt stattdessen einseitig auf Förderprogramme und Steuervergünstigungen. Die Ankündigung zum Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen bleibt zudem vage.

Das gilt insbesondere für das seit Jahren umstrittene Dienstwagenprivileg für privat genutzte Firmenfahrzeuge, das auch die neue Regierung nicht abschaffen will: Die private Nutzung von Dienstwagen soll nach wie vor ungerechtfertigt niedrig versteuert werden. Die Anschaffung neuer, hochpreisiger und CO2-emissionsintensiver Dienstwagen bleibt somit finanziell attraktiv – und sie kommt fast ausschließlich einkommensstarken Beschäftigten zugute. Die steuerlichen Ausnahmeregelungen für Dienstwagen stehen damit exemplarisch für eine ungerechte Politik, die überhaupt erst zu einer ökologischen und sozialen Schieflage im Verkehrsbereich geführt hat.

Flatrate-Fahren zum Niedrigpreis

Schätzungsweise zwei bis drei Mio. Dienstwagen sind auf Deutschlands Straßen unterwegs. Sie machen zwar nur einen geringen Anteil des Gesamtbestands an Pkw in Deutschland aus, der sich auf mehr als 48 Mio. Fahrzeuge beläuft. Vergleichsweise hoch ist ihr Anteil jedoch an den bundesweiten Neuzulassungen: Gut jeder fünfte neue Pkw ist ein Dienstwagen. Unter diesen finden sich sowohl die Fahrzeugpools von Pflegediensten, Handwerkerautos und klassische Dienstwagen von Vertrieblern als auch die als Gehaltsbestandteil überlassenen Dienstwagen für Führungskräfte. Nach nur wenigen Jahren Haltedauer gehen die Dienstwagen in den Gebrauchtwagenmarkt über, wo sie in der Regel von Privatpersonen gekauft werden. Sie prägen damit den deutschen Fahrzeugbestand über viele Jahre.

Dass sich viele Angestellte von ihrem Arbeitgeber allzu gerne ein Auto zur privaten Nutzung stellen lassen, anstatt sich dieses von einem höheren Gehalt einfach selbst anzuschaffen, liegt an der günstigen steuerlichen Behandlung von Dienstwagen. Denn die private (Mit-)Nutzung eines solchen wird monatlich pauschal mit einem Prozent des Auto-Listenpreises angesetzt. Der entsprechende Betrag wird zusammen mit dem Bruttolohn versteuert, auch Sozialabgaben werden fällig. Diese sogenannte Ein-Prozent-Regel bringt mit Blick auf die Klimaschutzziele im Verkehr zwei große Probleme mit sich. Erstens erhalten Angestellte mit Dienstwagen von ihren Arbeitgebern oft zusätzlich eine Tankkarte. Für sie ergibt sich die Möglichkeit des privaten Autofahrens zum Flatrate-Tarif. Das setzt Anreize für eine übermäßige Nutzung, beispielsweise für Kurzreisen übers Wochenende. Und zweitens behindert die Regelung eine Flottentransformation im Sinne einer Verkehrswende. Denn die steuerliche Pauschalierung ist so niedrig angesetzt, dass selbst teure, hochmotorisierte Dienstwagen relativ preiswert zu haben sind.[1] Damit lässt sich ein neuwertiger Oberklasse-Dienstwagen auch dann nutzen, wenn privat allenfalls ein Mittelklassewagen finanzierbar wäre.

Ein Beispiel verdeutlicht den Kostenvorteil: Ein Angestellter bekommt einen neuen, gut ausgestatteten VW Passat (Listenpreis 47 500 Euro) für drei Jahre als Dienstwagen gestellt, den er auch privat nutzen darf. An den Tankkosten muss er sich generell nicht beteiligen. Nach der Ein-Prozent-Regel müssen jährlich 5700 Euro versteuert werden,[2] zuzüglich des Nutzungswerts für die Fahrt mit dem Dienstwagen zur Arbeit. Dieser wird bei 10 Kilometern einfachem Arbeitsweg mit 1700 Euro veranschlagt. In der Summe müssen so jährlich insgesamt 7400 Euro als geldwerter Vorteil versteuert werden. Das klingt zunächst nach viel, gerade wenn man, wie viele Deutsche, die tatsächlichen Kosten von Autobesitz und -nutzung systematisch unterschätzt.[3]

Tatsächlich aber liegt dieser Betrag deutlich unterhalb jener Kosten, die bei einem privat angeschafften Auto anfallen. Denn bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung betragen die Kosten für Wertverlust, Diesel, Versicherung, Steuern und Reparaturen laut dem Autokostenrechner des ADAC rund 12 400 Euro.[4] Insgesamt versteuert der Angestellte bei gewöhnlicher Nutzung des Wagens pro Jahr also etwa 5000 Euro weniger, als es angemessen wäre – was bei einem angenommenen Grenzsteuersatz von 42 Prozent eine Steuerersparnis von 2100 Euro pro Jahr bedeutet. Dieser steuerliche Vorteil führt dazu, dass sich eine Person für das gleiche effektive Gehalt ein höherwertiges Auto leisten kann – und damit meist ein größeres, schwereres Auto mit entsprechend höheren CO2-Emissionswerten fährt. Zudem fällt der Vorteil umso größer aus, je mehr der Dienstwagen tatsächlich privat genutzt wird. Denn ein Dienstwagen muss gar nicht in erster Linie gewerblich genutzt werden, um steuerlich als solcher zu gelten.

Ein neuwertiger Dienstwagen bringt somit ausschließlich finanzielle Vorteile, da bei geringer privater Nutzung immer auch eine individuelle Abrechnung über ein Fahrtenbuch möglich ist. Und schließlich gewinnen die Premiumhersteller der deutschen Automobilindustrie durch die bestehende Regelung massiv: Hochpreisige Modelle erreichen als Dienstwagen einen weitaus größeren Kundenkreis.

Immense Steuervorteile für Dienstwagen

Diese Einsparungen auf Seiten der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber werden mit Steuergeldern finanziert. Unterm Strich führt dies im Staatshaushalt zu Einnahmeausfällen von mindestens drei Mrd. Euro im Jahr, Tendenz steigend.[5] Denn derzeit werden elektrische Dienstwagen mit weitaus höheren steuerlichen Vorteilen versehen: Wählt man statt eines Verbrenners einen Hybrid-Pkw mit externer Lademöglichkeit („Plug-in-Hybrid“), der über eine bestimmte elektrische Mindestreichweite verfügt, wird monatlich nur ein halbes Prozent des Listenpreises versteuert. Bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen ist es sogar nur ein viertel Prozent.

Diese Bevorzugung vollelektrischer Pkw ist durchaus sinnvoll – zum einen sind sie in der Anschaffung teurer als Verbrenner. Und zum anderen erscheint es übergangsweise sinnvoll, insbesondere bei Dienstwagen den Umstieg auf Nullemissionsfahrzeuge zu fördern – auch wenn Kaufprämien und Kfz-Steuerbefreiung ohnehin bereits dafür sorgen, dass Elektroautos eine wirtschaftliche Alternative zum Verbrenner darstellen und E-Autos mit der fortschreitenden Marktdurchdringung zunehmend auch ohne staatliche Förderung konkurrenzfähig werden.[6] Denn die Antriebswende ist einer der zentralen Bausteine, um im Verkehrssektor rasch Emissionsminderungen zu erzielen. Bis zum Jahr 2030 will die Ampel-Regierung 15 Mio. vollelektrische Pkw auf die Straße bringen. Diese Zielmarke folgt in etwa der Größenordnung, die in aktuellen Szenarienstudien für ein klimaneutrales Deutschland eingefordert werden. Da Dienstwagen schnell im Gebrauchtwagenmarkt landen, überdurchschnittlich viel gefahren werden und tendenziell größer und leistungsstärker als Privat-Pkw ausfallen, ist deren rasche Elektrifizierung besonders zielführend.

Allerdings sind die immensen Steuervorteile für E-Autos derzeit noch zu langfristig angelegt, sie sollen bis zum Jahr 2030 gelten. Es ist daher zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition die Vergünstigung ab dem kommenden Jahr verringern will: Die als Dienstwagen beliebten Plug-in-Hybride verlören damit ihren Sonderstatus, sofern sie nicht nachweisen können, dass ihr „Klimarucksack“ durch entsprechende elektrische Nutzung tatsächlich kleiner ausfällt als bei Verbrennern – was bislang zumeist nicht der Fall ist.[7] Darüber hinaus soll bei vollelektrischen Pkw ab 2025 wieder ohne Einschränkungen ein halbes Prozent des Listenpreises versteuert werden.

Was im Koalitionsvertrag jedoch fehlt, ist die Anhebung der steuerlichen Bemessung der Dienstwagennutzung insgesamt. Nach wie vor stehen alle Antriebsarten mit dicken Rabattschildern im Schaufenster. Verringerte sich die Förderung von Dienstwagenverbrennern, könnten auch E-Autos höher besteuert werden, ohne dass sie ihren relativen Steuervorteil einbüßen würden. Um die ökologische Lenkungswirkung zusätzlich zu stärken, könnte die Höhe der Bemessungsgrundlage wie in Großbritannien und Belgien zusätzlich nach dem CO2-Ausstoß der Dienstwagen differenziert oder eine ökologisch ausgestaltete Zulassungssteuer berücksichtigt werden.

Mehr Gerechtigkeit wagen – mittels modernisierter Besteuerung

Darüber hinaus sollte endlich auch der Nutzungsumfang bei der Besteuerung berücksichtigt werden. Solche Änderungen würden den Staatshaushalt entlasten, Anreize zu kleineren, effizienteren Fahrzeugen setzen und das Fahren zum Flatrate-Tarif beenden. Das gilt auch in Bezug auf Elektroautos, denn Strom aus erneuerbaren Energien bleibt in Deutschland auf absehbare Zeit ein knappes Gut, das es effizient einzusetzen gilt.

Für eine grundlegende Reform der Dienstwagenbesteuerung sprechen jedoch nicht nur umwelt- und haushaltspolitische Gründe. Die aktuellen Regelungen laufen obendrein zwei grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien der Besteuerung zuwider: Zum einen wird das Prinzip der horizontalen Steuergerechtigkeit missachtet, weil sich die Steuerbelastung deutlich unterscheidet, je nachdem, ob Arbeitsleistung in Form eines Dienstwagens oder als zusätzlicher Lohn vergütet wird. Zum anderen verletzen die geltenden Regelungen das Prinzip der vertikalen Steuergerechtigkeit: Typischerweise verfügen sogenannte Besserverdiener über einen weitaus leichteren Zugang zum Steuerprivileg „Dienstwagen“ als Personen mit mittlerem Einkommen.

Tatsächlich ist ein eigener Dienstwagen besonders für Gutverdienende attraktiv. Denn je höher der persönliche Steuer- und Abgabensatz der nutzenden Person, desto höher ist der finanzielle Vorteil einer Dienstwagennutzung im Vergleich zur privaten Anschaffung. So fließt etwa die Hälfte des erlassenen Steuergeldes an das Fünftel der Haushalte mit den höchsten Einkommen, während die Haushalte der unteren Einkommenshälfte wiederum nur etwa ein Fünftel des Geldes bekommen.[8] Da die Dienstwagenhäufigkeit stark mit dem Gehalt korreliert, ist es auch keine Überraschung, dass hinter dem Steuer von Dienstwagen überproportional häufig Männer sitzen.

Privilegien für Dienstwagen abschaffen

Will die Ampel-Koalition soziale Ungerechtigkeiten abbauen und neben der Antriebswende auch die dringend notwendige Mobilitätswende einleiten, dann muss sie bei den Regelungen für Dienstwagen deutlich nachsteuern. Eine Wende hin zu klimafreundlicheren Mobilitätsformen ist schon allein deshalb unverzichtbar, weil die Umstellung auf Elektromotoren nicht ausreichen wird, um die Treibhausgasemissionen schnell und im erforderlichen Umfang zu senken. Allerdings stellen die steuerbefreiten Jobtickets, die vom Arbeitgeber für öffentliche Verkehrsmittel gestellt und auch privat genutzt werden dürfen, für viele Dienstwagennutzende aktuell keine attraktive Alternative dar. Die Ampel-Regierung müsste daher in Zukunft die Alternativen zur Pkw-Nutzung massiv stärken, wenn sie weiterhin auf eine höhere Besteuerung von Dienstwagen verzichten will.

Das Beispiel Belgien zeigt, wie dies funktionieren könnte. Das Nachbarland hat seine ehemals dienstwagenfreundliche Politik im Mai vorigen Jahres aufgegeben. Belgische Unternehmen können ihren Angestellten seitdem als Alternative zum Dienstwagen auch ein betriebliches Mobilitätsbudget anbieten, das diese abgabenfrei und flexibel für öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing oder Fahrräder verwenden können.

 Ein modernes, klimafreundliches Mobilitätsmanagement, das gleichermaßen Bus, Bahn, Dienstrad und Sharing-Angebote einschließt, wird jedoch am effektivsten durch den kompletten Wegfall des Dienstwagenprivilegs und weiterer klimaschädlicher Subventionen gestärkt.

Eine Gelegenheit dazu bietet das für dieses Jahr angekündigte Klimaschutz-Sofortprogramm der neuen Bundesregierung. Es soll die Grundlage der Klimaschutzpolitik in den kommenden Jahren bilden und muss daher auch bislang nicht geplante Maßnahmen für den Verkehrssektor enthalten. Zwar belasten Pkw Umwelt und Klima heute im Schnitt weniger als in der Vergangenheit. Allerdings hat der Pkw-Verkehr in den vergangenen 25 Jahren um mehr als 20 Prozent zugenommen – in der Summe gibt es insbesondere bei den Treibhausgasemissionen kaum reale Einsparungen. Eine wirkliche Verkehrswende, die auf eine Verminderung von motorisiertem Individualverkehr und eine Verlagerung auf umweltfreundliche Alternativen setzt, ist daher mehr als überfällig.

Zuerst erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe Februar 2022.

[1] Vgl. Laura Diekmann u.a., Steuerliche Behandlung von Firmenwagen in Deutschland, in: „FiFo-Berichte“, 13/2011.

[2] Das entspricht 475 Euro pro Monat.

[3] Vgl. Mark Andor u.a., Running a car costs much more than people think – stalling the uptake of green travel, in: „Science“, 4/2020, S. 453-455.

[4] Vgl. ADAC, Autokosten: VW Passat Variant 2.0 TDI SCR Business DSG (ab 09/20), www.adac.de.

[5] Vgl. Umweltbundesamt, Umweltschädliche Subventionen in Deutschland, www.umweltbundesamt.de.

[6] Vgl. Agora Verkehrswende, E-Auto-Kostencheck, www.agora-verkehrswende.de.

[7] Vgl. Patrick Plötz u.a., Real-world usage of plug-in hybrid electric vehicles, www.theicct.org.

[8] Vgl. Agora Verkehrswende und Öko-Institut, Dienstwagen auf Abwegen. Warum die aktuellen steuerlichen Regelungen einen sozial gerechten Klimaschutz im Pkw-Verkehr ausbremsen, Oktober 2021, www.compan-e.de.

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