Teures Benzin: Einkommen stärken statt Preise kappen

In Zeiten hoher Kraftstoffpreise sollten staatliche Entlastungsmaßnahmen gezielt denen zugutekommen, die es brauchen – und keinen klimapolitischen Schaden anrichten.

Benjamin Fischer

Infolge der zuletzt steil angestiegenen Spritpreise auf über zwei Euro stehen weitreichende Entlastungen für Autofahrerinnen und Autofahrer zur Debatte. Die Vorschläge reichen von einer nochmaligen Anhebung der Pendlerpauschale über Steuersenkungen und pauschale staatliche Zuschüsse für Kraftstoffe bis hin zu einer vollumfänglichen Spritpreisbremse. Sozial- und umweltpolitisch wäre es jedoch sinnvoller, gezielt Haushalte mit geringem Einkommen zu entlasten.

Nicht nur der Spritpreis steigt rasant

Bei der Frage nach Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sollte für die Politik nicht allein der Blick auf die Preise an den Tankstellen handlungsleitend sein. Ökonomisch entscheidend ist die Entwicklung im Vergleich zum allgemeinen Preis- und Einkommensniveau. So hat sich bis Anfang März der Preis für einen Liter Super E10 gegenüber 2012, dem bisherigen Rekordjahr, laut Angaben des ADAC um circa ein Viertel erhöht, während im gleichen Zehnjahreszeitraum das Durchschnittseinkommen um etwa 20 Prozent stieg. Relevant ist auch, dass sich zwischenzeitlich die Effizienz der Motoren im Pkw-Bestand - zumindest etwas - verbessert hat, wodurch beispielsweise ein durchschnittliches Auto der Kompaktklasse heute weniger Kraftstoff je Kilometer verbraucht. Somit kann ein Haushalt mit Durchschnittsverdienst bei einem Benzinpreis von zwei Euro zusammengenommen etwa gleich viele Kilometer zurücklegen wie im bisherigen Rekordjahr vor zehn Jahren, als der nominale Preis für Benzin rund 40 Cent darunter lag.

Die Kosten für Kraftstoffe haben sich also im längerfristigen Vergleich moderat entwickelt und waren in den vergangenen Jahren vor allem vergleichsweise niedrig. Trotzdem löst der kurzfristig deutliche Preisanstieg natürlich Unmut aus, auch bei Autofahrerinnen und Autofahrern mit einem durchschnittlichen Einkommen. Regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Personenverkehrs stehen allerdings nicht besser da: Die Preise für kombinierte Beförderungsleistungen des öffentlichen Nahverkehrs sind laut Angaben des Statistischen Bundesamts heute ebenfalls um etwa ein Viertel höher als im Durchschnitt des Jahres 2012. Weitere Güter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Strom und Gas unterliegen derzeit ebenfalls starken Preissteigerungen. Deshalb wäre es falsch, direkt an den Kraftstoffpreisen anzusetzen.

Einkommensarme Haushalte finanziell stärken

Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten erfordern ein sozialpolitisches Eingreifen des Staates. Die im Raum stehende Senkung der Kraftstoffpreise über einen pauschalen staatlichen Tankzuschuss, eine Absenkung der Energiesteuer oder eine Verringerung des Mehrwertsteuersatzes für Kraftstoffe wäre jedoch wenig sinnvoll. Die Vorschläge würden viel Geld kosten und nicht gezielt denen zugutekommen, die es brauchen. Der Staat sollte gerade im Fall von fossilen Energieträgern nicht als Versicherer gegen marktgetriebene Preisschwankungen auftreten. Staatliche Preissenkungen für Kraftstoffe bremsen die Nachfrageeffekte höherer Preise und stehen damit dem Klimaschutz entgegen. Von einer Spritpreisbremse würden zu einem Großteil wohlhabende Haushalte profitieren, welche einen deutlich überdurchschnittlichen Kraftstoffverbrauch aufweisen und die zugleich die angespannte Preissituation leichter verkraften können als einkommensschwache Haushalte. Gleichzeitig blieben Leerstellen bei anderen, gerade für ärmere Personen bedeutenden Gütern wie Lebensmittel.

Kurzfristig angelegte Entlastungsmaßnahmen sollten stattdessen auf Haushalte mit niedrigem Einkommen fokussiert werden. Diese haben oft keine oder nur geringe finanzielle Spielräume, um Preissteigerungen bei elementaren Waren und Dienstleistungen aufzufangen. Zudem sollte die Wirkung der Maßnahmen breiter angelegt sein. Das gelingt, indem nicht einzelne Preise, sondern die Einkommen dieser Menschen adressiert werden, beispielsweise durch höhere Leistungen bei Grundsicherung, Sozialhilfe, Wohngeld und Kinderzuschlag. Eine temporäre Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen, beispielsweise über Freibeträge oder einen Abzugsbetrag bei der Einkommensteuer, erreicht in Kombination mit einem Kindergeldbonus auch Haushalte mit mittlerem Einkommen. Perspektivisch sollte dann ein eigenständiges Energiegeld oder Klimageld die Funktion der sozial ausgewogenen Kompensation höherer Energiepreise übernehmen. Die Bundesregierung sollte hierfür schnell die administrativen und rechtlichen Voraussetzungen schaffen.

Die genannten Instrumente entlasten gezielt jene besonders vulnerablen Haushalte, die den hohen Preisen kurzfristig nicht ausweichen können. Und sie halten gleichzeitig jene wichtige Funktion des Preises intakt, die für die noch dringlicher gewordene Transformation hin zur Klimaneutralität entscheidend ist: das Signal zu liefern, dass fossile Energien ein Auslaufmodell sind, und damit Investitionen in klimaverträgliche Alternativen anzureizen.

Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale: die gerechtere Alternative

Pendlerinnen und Pendler sind besonders stark von Preissteigerungen bei Mobilität betroffen. Die Bundesregierung hat daher in ihrem kürzlich vorgelegten Entlastungspaket eine vorgezogene Anhebung der Fernpendlerpauschale beschlossen. In einem sozial austarierten Maßnahmenpaket hätte die Entfernungspauschale jedoch keinen Platz mehr. Ihre effektive Entlastungswirkung hängt vom individuellen Grenzsteuersatz ab, der aufgrund des progressiven Charakters der Einkommensteuer mit dem zu versteuernden Einkommen steigt. Das heißt: Nur 14 Prozent der Pendlerpauschale kommen bei Geringverdienenden an, während die Entlastung bei hohen Einkommen mit 42 Prozent dreimal so hoch liegt. Und obwohl die Pauschale unabhängig vom Verkehrsmittel gewährt wird, hat sie problematische ökologische Folgewirkungen, indem sie zu mehr Verkehr und zur Zersiedelung der Landschaft beiträgt.

Die Bundesregierung hat diese Defizite der Entfernungspauschale offenbar erkannt. Sie hat angekündigt, die Unterstützung für Pendlerinnen und Pendler im Laufe der Legislaturperiode neu aufzustellen, um ökologische und soziale Belange der Mobilität künftig stärker zu berücksichtigen. Eine solche Umgestaltung sollte angesichts der veränderten politischen und wirtschaftlichen Lage jetzt zügig in Angriff genommen werden. Denn weitere Erhöhungen der Pendlerpauschale würden die soziale Schieflage bei den Kosten für den Arbeitsweg zusätzlich verschärfen.

Die steuerliche Pauschale sollte deshalb in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Dann hinge die Entlastungswirkung nicht mehr vom persönlichen Steuersatz ab, sondern fiele für alle gleich aus. Erwerbstätige mit geringen Einkommen profitieren dann stärker als im Status quo. Das trägt dem Gebot der Fairness Rechnung.


 

Gesamtpaket für die Verkehrswende

Wer Krisen vorbeugen will, muss mehr tun, als nur Symptome zu bekämpfen. Neben temporären Entlastungen für besonders betroffene Haushalte – wie die hier vorgeschlagene Erhöhung von Sozialleistungen, progressive Entlastungen bei den Sozialbeiträgen und die Umwandlung der Pendlerpauschale in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld – muss die Bundesregierung deshalb auch Maßnahmen ergreifen, die nachhaltig gegen finanzielle Mehrbelastungen durch teure fossile Energieträger schützen. Gerade im Verkehrssektor ist die Abhängigkeit von Erdöl immer noch hoch.

Der beste Schutz gegen steigende Ölpreise ist die Verkehrswende, also die Umstellung auf effiziente Elektromobilität und die Verlagerung auf klimaschonende Verkehrsmittel. Sie besteht aus vielen Maßnahmen, die zum Teil einen langen Vorlauf haben und gut aufeinander abgestimmt werden müssen – von der Verschärfung der europäischen CO2-Flottengrenzwerte für Pkw über die Reform von Steuern, Abgaben und Subventionen bis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zur Stärkung der Kommunen in der Gestaltung der Mobilität und des öffentlichen Raums. Zusätzlich zu einem Sofortprogramm für Entlastung und Klimaschutz ist daher ein langfristig angelegtes Regierungsprogramm für die Verkehrswende gefragt, das faire Preise und Mobilität für alle auf Dauer sicherstellt. Rund 100 Tage nach Regierungsantritt hat die Bundesregierung noch nicht erkennen lassen, wie so ein Programm aussehen könnte.

 

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