Klimaneutrale Kraftstoffe ergänzen Strom aus Wind und Sonne.

Die Umstellung auf alternative Antriebe bei Autos, leichten Nutzfahrzeugen, Bussen und im Güterverkehr ist ein wichtiger Beitrag für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, reicht aber allein nicht aus. Schiffe und Flugzeuge zum Beispiel werden nach heutigem Kenntnisstand bis auf absehbare Zeit weiterhin flüssige oder gasförmige Kraftstoffe benötigen.

Kraftstoffe für die Energiewende im Verkehr müssen klimaneutral sein. Grundsätzlich kommen als Antriebs­energien in einem zunehmend dekarbonisierten Verkehrssektor neben direkt genutztem Strom aus regenerativen Quellen nur noch flüssige oder gasförmige Kraftstoffe ebenfalls aus regenerativ erzeugtem Strom sowie bestimmte Biokraftstoffe mit hoher Treibhausgasminderung in Frage.129

Die klima- und energiepolitische Rahmensetzung für die Kraftstoffe der Zukunft hat sowohl die Treibhausgas­emissionen als auch den Energieumsatz von der Herstellung bis zum Verbrauch (Well-to-Wheel) der Kraftstoffe zu berücksichtigen. Wegen ihrer hohen Treibhausgas­emissionen scheiden die herkömmlichen flüssigen fossilen Kraftstoffe für einen dekarbonisierten Verkehr aus (vgl. Abbildung 7.1).

Erdgas hat im Vergleich zu fossilen Flüssigkraftstoffen leichte CO2-Vorteile und damit Potenzial zur Senkung der Treibhausgasemissionen (THG). Für eine weitgehende Dekarbonisierung des Verkehrs reicht dies jedoch nicht aus. Erdgas kann nur ein Brückenkraftstoff sein, der sukzessive durch synthetisches Methan oder synthetischen Kraftstoff vollkommen ersetzt wird.

Aus Abbildung 7.1 geht hervor, dass Strom aus Erneuerbaren Energien in Elektrofahrzeugen (BEV) und Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) in Bezug auf THG-Emissionen und Energieeffizienz am besten abschneidet. Eine Reihe strombasierter Kraftstoffe schneidet hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen ebenfalls gut ab. Allerdings ist bei ihnen wie bei biobasierten Kraftstoffen der entsprechende Energieverbrauch deutlich höher, da die Kraftstoffgewinnung ineffizienter ist. Bezogen auf die THG-Emissionen der dargestellten Biokraftstoffe ist zudem zu beachten, dass diese aufgrund von indirekten Landnutzungsänderungen (Indirect Landuse Change - ILUC) weit höher ausfallen können.130


129. INFRAS, Quantis (2015)
130. Die Effekte von Landnutzungsänderungen sind nicht einbezogen in die Berechnungen von JRC, EUCAR, CONCAWE (2014b). Die Gründe hierfür werden in JRC, EUCAR, CONCAWE (2014a), S. 10, näher erläutert: „We do think these effects [Land Use Change] are likely to have a significant impact on results, but the current state of knowledge does not allow us to estimate them with confidence.”
 

  • Strombasierte Kraftstoffe könnten eine Ergänzung zu Strom sein – aber keine Alternative.

    Die Gewinnung von strombasierten Kraftstoffen erfolgt in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt wird aus Wasser mithilfe von Strom Wasserstoff erzeugt; er kann in Brennstoffzellenfahrzeugen direkt als Kraftstoff genutzt werden. Es ist aber auch möglich, den Wasserstoff in einem weiteren Schritt über Syntheseprozesse entweder in PtG-Methan (Power-to-Gas) umzuwandeln oder in flüssigen PtL-Kraftstoff (Power-to-Liquid). Klimaneutral können die entsprechenden Kraftstoffe nur sein, wenn der für ihre Erzeugung verwendete Strom aus Erneuerbarer Energie stammt (vgl. Abbildung 7.2).

    Die Gewinnung von Kraftstoffen aus Strom mithilfe Erneuerbarer Energien ist noch nicht marktreif und wird zurzeit in Pilotanlagen erprobt. Für die großflächige Erzeugung von nachhaltigen strombasierten Kraftstoffen müssen ausreichende Mengen an Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen; dies ist zurzeit noch nicht der Fall. Ob, wann und wie PtG-/PtL-Anlagen unter welchen Bedingungen wirtschaftlich und klimaverträglich betrieben werden können, wird zurzeit untersucht.

    Bezogen auf die notwendigen Mengen haben strom­basierte Kraftstoffe gegenüber der direkten Nutzung von Strom in batterieelektrischen Fahrzeugen einen bedeutsamen Nachteil: Bei der Umwandlung von Strom in flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff sind hohe Wandlungsverluste in Kauf zu nehmen. Bei der Produktion von Wasserstoff sind diese Umwandlungsverluste geringer als bei PtG und PtL, weil nur ein Umwandlungsschritt benötigt wird.

    Würde der Verkehrssektor in Zukunft vorrangig mit strombasierten Kraftstoffen dekarbonisiert, könnte der Strombedarf allein des Verkehrs in Deutschland im Jahr 2050 bei bis zu 914 Terawattstunden (TWh) liegen (vgl. Abbildung 7.3). Dieser Strombedarf ist höher als die gesamte Bruttostromerzeugung in Deutschland im Jahr 2016.131

    Niedriger wäre der Strombedarf des Verkehrssektors bei einem Dekarbonisierungspfad, der - soweit möglich - auf direkter Stromnutzung beruht. Dieses Szenario treibt die technische Effizienz, die Elektromobilität und den Einsatz von Oberleitungs-Lkw (siehe These 8) maximal voran. Da in beiden Szenarien jeweils auch strombasierte Kraftstoffe im Flug- und Schiffsverkehr zum Einsatz kämen, läge der Strombedarf allerdings auch im Szenario direkte Stromnutzung noch bei dem sehr hohen Wert von 542 TWh.132

    Daraus folgt erstens, dass die Nutzung strombasierter Kraftstoffe jenen Verkehrsmitteln vorbehalten bleiben sollte, für die eine direkte Stromnutzung nach Lage der Dinge nicht in Frage kommt. Dies betrifft vor allem den Luftverkehr. Er benötigt aller Voraussicht nach ein klimaneutrales drop-in fuel, weil es für die kommerzielle Luftfahrt auf absehbare Zeit keine alternativen Antriebssysteme gibt. Entsprechendes gilt für die Seeschifffahrt, die in wenigen Jahrzehnten ebenfalls komplett emissionsfrei sein muss. Zweitens folgt daraus, dass strombasierte Kraftstoffe zwar eine notwendige Ergänzung zur direkten Stromnutzung insbesondere für einzelne Verkehrsträger darstellen, aber nicht in allen Bereichen als sinnvolle Alternativen anzusehen sind.

    131. Eigene Konvertierung basierend auf Öko-Institut (2016). Im Jahr 2016 lag die Bruttostromerzeugung in Deutschland insgesamt bei ca. 648,2 TWh. Vgl. AGEB (2016b)
    132. Eigene Konvertierung basierend auf Öko-Institut (2016)

  • Nachhaltigkeitsstandards sichern die Integrität strombasierter Kraftstoffe.

    Es ist davon auszugehen, dass der Strom, der potenziell zusätzlich für synthetische Kraftstoffe benötigt wird, kaum in Deutschland erzeugt werden kann. Denn bereits heute stößt der Ausbau von Wind- und Solarenergieanlagen auf Grenzen der öffentlichen Akzeptanz. Dieser Umstand sowie Kostenaspekte deuten darauf hin, dass strombasierte Kraftstoffe in Zukunft auch importiert werden.

    Bei der Erzeugung jenseits der Grenzen Deutschlands ist im Sinne der Klimaneutralität ebenfalls EE-Strom einzusetzen. Außerdem sind bei der Produktion Nachhaltigkeitskriterien zu beachten, die etwa festlegen, dass das für die Wasserstofferzeugung erforderliche Wasser in ausreichenden Mengen und auf nachhaltige Weise an Solarstandorten gewonnen werden kann. Gleichermaßen sollte definiert werden, welche anderen Randbedingungen für eine nachhaltige Produktion dieser Kraftstoffe erforderlich sind. Diese Kriterien sollten schnell erarbeitet und international eingeführt werden.

    Über das weltweit vorhandene nachhaltige Potenzial für diese Kraftstoffe liegen bislang kaum Erkenntnisse vor. Dies und die Tatsache, dass ihre Produktion bislang erst erprobt wird, sprechen ebenfalls dafür, sie vorrangig dort zu verwenden, wo bislang Alternativen fehlen. Das Beispiel Biokraftstoffe zeigt, dass die ursprüngliche Unterschätzung von Nachhaltigkeitsaspekten zu einer zu optimistischen Einschätzung ihrer Potenziale verleitet hat.

    Biokraftstoffe werden in Deutschland als Beimischung zu fossilem Kraftstoff genutzt. Der Anteil Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Verkehrs lag im Jahr 2015 bei knapp über fünf Prozent, das meiste davon stammt aus Biokraftstoffen.133 Um mit ihrer Hilfe den Verkehrssektor vollständig zu dekarbonisieren, müsste es allerdings in Zukunft möglich sein, weiterreichende Treibhausgaseinsparungen als bisher zu erzielen und bei Einhaltung essenzieller Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele große Mengen dieser Kraftstoffe zu erzeugen. Das erscheint aus heutiger Perspektive nicht realisierbar, denn ihr hoher Flächenbedarf und ihre häufig geringe Energieeffizienz sind limitierende Faktoren.

    Für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse gilt, dass sie mit Pflanzen, die der menschlichen Ernährung oder der Ernährung von Nutztieren dienen, um knappe Ackerfläche konkurrieren. Bei wachsender Nachfrage steigt außerdem der Druck, bisher landwirtschaftlich nicht genutzte Gebiete für den Anbau von Energiepflanzen umzuwidmen. Beim Anbau von Biomasse für Biokraftstoffe auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen können durch das Ausweichen der landwirtschaftlichen Produktion auf andere, zuvor ungenutzte Flächen sogenannte indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) entstehen. Die Umwandlung weitgehend unberührter oder naturnaher Habitate in landwirtschaftliche Fläche kann Treibhausgase freisetzen und Lebensräume von Pflanzen und Tieren zerstören.134

    Das nachhaltige Biomassepotenzial in Deutschland wie auch weltweit ist begrenzt. Kraftstoffe aus nachhaltig erzeugter Biomasse aus Deutschland haben nicht das Potenzial, einen wachsenden Anteil von Diesel und Benzin zu ersetzen. Ähnliches gilt weltweit. Eine deutliche Steigerung des Anteils von Biokraftstoffen an der weltweiten Kraftstoffversorgung über die heute rund drei Prozent135 hinaus würde zu einer massiven Inanspruchnahme von zusätzlichen Flächen führen. Die Konsequenz wäre eine wachsende Zahl von Nutzungskonflikten und indirekten Landnutzungsänderungen. Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse stellen insofern aus Klimaschutzsicht weder quantitativ noch qualitativ eine entscheidende Alternative zu fossilem Kraftstoff dar.

    Anders ist das bei aus Abfällen und Reststoffen gewonnenen Biokraftstoffen: Sie konkurrieren nicht um Ackerflächen für Nahrungs- und Futtermittel.

    Doch auch sie sind nur in begrenztem Maße im Inland und jedenfalls nicht in der Menge gewinnbar, in der sie zur Verfügung stehen müssten, um als Kraftstoff für den Verkehr dienen zu können. Auch weltweit können Biokraftstoffe der zweiten Generation aus land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen lediglich maximal zwischen 13 und 19 Exajoule (EJ) Energie zur Verfügung stellen. Demgegenüber wird der weltweite Endenergieverbrauch des Verkehrs im Jahr 2050 auf 100 bis 170 EJ geschätzt.136

    Damit Biokraftstoffe für die Dekarbonisierung des Verkehrs in Betracht gezogen werden können, muss in der europäischen und nationalen Gesetzgebung daher sichergestellt werden, dass sie eine hohe Treibhausgasminderung erzielen, Nachhaltigkeitskriterien einhalten und ILUC-frei sind. Es ist fraglich, ob die zurzeit diskutierte Neugestaltung der EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Renewable Energy Directive – RED II) ausreichende Anreize für die erforderliche Dekarbonisierung von Kraftstoffen zu setzen vermag und zugleich den Anforderungen der Nachhaltigkeit gerecht werden kann.

    Ob Biokraftstoffe, aus Strom gewonnene Kraftstoffe oder Wasserstoff: Keine der neuen potenziellen Antriebsenergien ist problemlos. Bei allen sind Infrastrukturfragen, Fragen der Technologieförderung, Fragen nach neuen Importabhängigkeiten, nach dem Mengenpotenzial und nach den volkswirtschaftlichen Kosten zu klären. Dies alles gilt es im Kontext der Verkehrswende zu analysieren, um verkehrsträgerübergreifend möglichst kohärente Gesamtstrategien zu identifizieren und die gesellschaftlichen Kosten für den Umstieg auf klimaneutrale Kraftstoffe zu minimieren.


    133. BMWi (2016b)
    134. BMVBS (2013)
    135. IEA (2016b)
    136. INFRAS, Quantis (2015), S. 16

  • Die Politik gestaltet den Ausstieg aus Öl und Gas.

    Der langfristig notwendige Ersatz fossiler Kraftstoffe durch Strom und klimaneutrale Kraftstoffe erfordert mehr Kohärenz im rechtlichen Rahmen. Das zeigt sich etwa bei der Energiebesteuerung, die – historisch gewachsen – keinem einheitlichen Ziel folgt. Tatsächlich ist die Besteuerung von Kraftstoffen nicht vorrangig am Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs ausgerichtet, sondern an anderen, etwa fiskal- oder wettbewerbspolitischen Zielen, die miteinander in Konflikt stehen können. So ist die Energiesteuer etwa eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Dennoch hat das wettbewerbspolitische Ziel, das deutsche Speditionsgewerbe gegenüber seinen europäischen Wettbewerbern nicht zu benachteiligen, zu einer steuerlichen Privilegierung von Dieselkraftstoff geführt, wodurch dem Staat inzwischen jährlich fast acht Mrd. Euro entgehen.137

    Pro Liter genießt Diesel gegenüber Benzin einen Steuer­vorteil von 18,41 Eurocent, obwohl das Verbrennen von einem Liter Diesel sogar mehr CO2 als das von einem Liter Benzin (2,65 kg gegenüber 2,37 kg) verursacht; die häufig angeführten Klimavorteile des Diesels resultieren ausschließlich aus der höheren Effizienz von Diesel- im Vergleich zu Ottomotoren. Die einheitliche Besteuerung von Diesel und Benzin auf Basis ihres Energie- und CO2-Gehalts wäre ein erster Schritt in Richtung Energie­wende im Verkehr. Ihre Vollendung findet sie, wenn klimaneutral erzeugter Strom die heute dominierenden fossilen Kraftstoffe komplett ersetzt.


    137. UBA (2016b)

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