Die Verkehrswende gelingt mit der Mobili­täts­wende und der Energiewende im ­Verkehr.

Energie ist ein knappes Gut. Das gilt nicht nur für fossile Energieträger, sondern auch für Erneuerbare Energien. Doch selbst wenn es für die Energiegewinnung aus Sonnenstrahlung und Windkraft, aus Biomasse und Wasserkraft keine technischen Potenzialgrenzen gäbe, würde ihr massiver Ausbau Mensch und Umwelt mit unerwünschten Wirkungen konfrontieren. Denn umweltneutral sind auch die Erneuerbaren nicht.

Obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen generell hoch ist, sind vor allem Windkraftanlagen schon heute nicht überall willkommen.22 Diese Akzeptanzproblematik dürfte sich mit der wachsenden Zahl von Windkraftanlagen noch verschärfen.23 Daraus folgt, dass klimaneutrale Energien sparsam zu nutzen sind, zumal auf diese Weise die Kosten ihrer Erzeugung begrenzt werden.
Der Umstand, dass auch klimaneutrale Energien zumindest mittelfristig nicht im Überfluss vorhanden sind, hat Folgen für die Strategie zur Verkehrswende. Sie ist weit mehr als eine Antriebswende, die lediglich den Austausch der Antriebssysteme von Fahrzeugen zum Ziel hat. Vielmehr geht es darum, den Energieverbrauch zu senken und den verbleibenden Energiebedarf mit klimaneutraler Energie zu decken. Notwendigerweise ruht die Verkehrswende damit auf zwei Säulen: auf der Mobilitätswende – und auf der Energiewende im Verkehr (vgl. Abbildung 1.1).

Die Mobilitätswende sorgt dafür, dass der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors ohne Einschränkung der Mobilität sinkt. Gestützt auf technologische Entwicklungen erweitert sich das Verkehrsangebot und multimodales Verkehrsverhalten wird erleichtert. Flankiert durch politische Rahmensetzung und befördert durch generelle gesellschaftliche Trends wird es auf diese Weise möglich, bislang nicht gehobene Potenziale der Vermeidung, der Verlagerung und der Verbesserung des Verkehrs zu erschließen.

Demgegenüber ist die Energiewende im Verkehr vor allem eine technische Herausforderung, die allerdings ebenfalls politischer Gestaltung bedarf. Ziel der Energie­wende ist es, sicherzustellen, dass der verbleibende Endenergiebedarf des Verkehrs mit klimaneutralen Antriebsenergien gedeckt wird und dass diese ­Energien in motorisierten Fahrzeugen effizient und sparsam eingesetzt werden.

 

22. Tagesspiegel (2016)
23. Ende 2016 gab es in Deutschland 28.217 Windkraftanlagen. 2016 trug die Windkraft 11,9 Prozent zur Bruttostrom­erzeugung bei. Siehe BWE (2017) sowie AGEB (2016b)

  • Die Mobilitätswende ermöglicht ­Mobilität mit weniger Verkehr.

    Menschen haben den Wunsch nach Mobilität, weil sie bestimmte Bedürfnisse nicht an ihrem aktuellen Aufenthaltsort befriedigen können. Mobilität ist aber nicht gleichzusetzen mit Verkehr, der lediglich das Mittel zum Zweck darstellt: dem Zweck der Distanzüberwindung. Tatsächlich kann Mobilität mit kurzen oder mit langen Wegen verbunden sein, sie kann großen Verkehrsaufwand verursachen oder geringen, sie kann mit hohem Energie- und Umweltverbrauch einhergehen oder mit niedrigem. Jedenfalls sind zurückgelegte Kilometer kein Maßstab für Mobilität.24

    Die Entwicklung der Siedlungsstrukturen während der vergangenen Jahrzehnte hat Verkehr erzeugt und Verkehrsströme wachsen lassen; die Ursachen dieser verkehrs­erzeugenden Strukturen sind schnell nicht wieder zu ändern.25 Gleichzeitig wurde das Verkehrshandeln und -verhalten jahrzehntelang durch einen „Individualisierungstrend“ geprägt; private Pkw haben dadurch eine dominante Position erobert.26 Weil Pfadabhängigkeiten und die Bedeutung von Routinen im Verkehr groß sind, blieben bisherige Versuche, Verkehr zu vermeiden und auf umweltverträglichere Verkehrsmittel zu verlagern, meist erfolglos – von einzelnen positiven Beispielen abgesehen.

    In Zukunft muss das nicht so bleiben.

    Seit etwa zehn Jahren zeichnet sich in den städtischen Gesellschaften Nordamerikas, Europas und teilweise auch Asiens ein grundlegender Einstellungswandel zum Auto ab. Oft wird der Verkehr mit individuellen Pkw mehr als Last denn als Lust wahrgenommen, es werden deshalb immer häufiger Alternativen zum privaten Auto gesucht ? und auch gefunden.

    Möglich wird dieser Wandel durch die Digitalisierung sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien (siehe These 5). Inzwischen zeichnen sich Verhaltensstrukturen ab, die mit weniger Verkehr verbunden und multimodal ausgerichtet sind. Sie können sogar zu einem prägenden Element des Lebensstils werden, ohne die Mobilität einzuschränken. Wege können verkürzt oder ersetzt werden, zum Beispiel durch elektronische Kommunikation und durch die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger. Die Nutzung von Apps auf dem Smartphone ermöglicht diese Vernetzung, die spontan, effizient und zuweilen sogar lustvoll zu realisieren ist. Der Umstieg vom eigenen Auto auf eine Stadtbahn erspart die Suche nach einem Parkplatz, der Umstieg auf ein geteiltes Auto erlaubt die problemlose bedarfsorientierte Nutzung verschiedener Fahrzeugtypen vom Cabrio bis zum Transporter. Stimmen die Rahmenbedingungen, dann wird die Änderung von Gewohnheiten auf diese Weise zu einem Gewinn – mit dem Effekt, dass die Bewegung im Raum weniger klimaintensiv erfolgt.

    Die Mobilitätswende führt also nicht zu weniger Mobilität, sondern zu einer anderen Qualität von Mobilität: Die effiziente Gestaltung der eigenen Mobilität vermag Wege auf umweltverträgliche Verkehrsmittel zu verlagern, zu bündeln und so Verkehrsaufwände zu verringern. So entsteht eine neue, multimodale Mobilität, die wie nebenbei auch den Erfordernissen des Klimaschutzes gerecht wird.

    Voraussetzung hierfür ist politische Rahmensetzung. Anders als bisher verschaffen die neuen technischen Möglichkeiten der Politik allerdings die Chance und die Freiheit, die Regulierung des Verkehrsgeschehens konsequenter als bisher am Klimaschutz auszurichten. Dafür bedarf es der Förderung neuer Mobilitätsangebote, aber auch fiskal- und ordnungspolitischer Instrumente wie der Parkraumbewirtschaftung.

    Tatsächlich verhilft nur entschlossenes politisches Handeln dem Potenzial der Mobilitätswende zur vollen Entfaltung. Und dieses Potenzial ist gewaltig: Die Mobili­tätswende hat das Zeug dazu, den Energieverbrauch des nationalen Verkehrs bis 2050 um rund ein Viertel zu vermindern, zusätzlich zum ohnehin vor allem über Effizienz erwarteten Rückgang;27 der Energieverbrauch läge dann bei nur noch knapp der Hälfte des Wertes von 2005.28 Damit wäre das im Energiekonzept der Bundesregierung formulierte Langfristziel deutlich übertroffen – und die für den Verkehrssektor benötigte Menge klimaneutraler Energie bliebe begrenzt. Eingesparte Energie muss nicht erzeugt werden. Davon profitiert die Energiewende im Verkehr.

    24. Becker, U. (2016), S. 17
    25. SRU (2005), S. 135
    26. Knie, A. (2016), S. 43
    27. So das Ergebnis der Fortschreibung der Verkehrsverflechtungsprognose bis 2050. Siehe Ifeu, INFRAS, LBST (2016), S. 153 ff. und S. 189
    28. Ifeu, INFRAS, LBST (2016), S. 189

  • Die Energiewende im Verkehr ermöglicht klimaneutrales Fahren.

    Anders als die Mobilitätswende ist die Energiewende im Verkehr vor allem eine technische Herausforderung, die allerdings ebenfalls politischer Gestaltung bedarf. Klimaneutral wird der Verkehr der Zukunft nur, wenn motorisierte Fahrzeuge mithilfe von CO2-neutralen Energien angetrieben werden. Die im Inland vor allem aus Sonnenstrahlung und aus Windenergie gewonnenen CO2-freien Energiemengen bleiben jedoch auf absehbare Zeit begrenzt. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz verlangen allerdings die Dekarbonisierung der gesamten Volkswirtschaft. Um die begrenzten CO2-freien Strommengen konkurrieren deshalb bis auf Weiteres sämtliche Sektoren der Volkswirtschaft: die Industrie, die privaten Haushalte und der Verkehr. Kannibalisierten sie sich im Wettbewerb um klimaneutrale Energie, dann bliebe der Netto-Emissionseffekt null. Daraus folgt, dass nur zusätzlich erzeugte CO2-freie Energiemengen einen Beitrag zur Energiewende im Verkehr leisten können.

    Zwei Gründe sprechen dafür, dass die Fahrzeuge der Zukunft auf Basis von Strom angetrieben werden. Erstens lassen sich große und wachsende Mengen klimaneutraler Energie nur mit Sonne und Wind in Form von Strom erzeugen. Zweitens lässt sich Strom nicht nur direkt in Antriebsleistung umwandeln, sondern auch in jeden anderen flüssigen oder gasförmigen Energie­träger, beispielsweise in Wasserstoff oder strombasierte Kraftstoffe. Handelt es sich um klimaneutral erzeugten Strom, dann sind die aus ihm gewonnenen Energieträger ebenfalls klimaneutral.
    Allerdings kostet der Umwandlungsprozess selbst Energie. Je öfter elektrischer Strom in andere Energieformen überführt wird, desto mehr Kilowattstunden, die von Solar- und Windkraftanlagen aufwendig erzeugt werden, stehen als Endenergie nicht mehr zur Verfügung. Weil jeder Umwandlungsprozess obendrein mit technischem Aufwand einhergeht, steigen mit jedem Umwandlungsschritt auch die Kosten der Energiebereitstellung. Beides spricht dafür, den Strom direkt zu nutzen.

    So greift eines ins andere:

    • Je erfolgreicher die Mobilitätswende ist, desto weniger erneuerbar erzeugte Energie benötigt der Verkehrssektor.
    • Je mehr erneuerbar erzeugte Elektrizität in Kraftstoffe umgewandelt wird, desto mehr Wind- und Solarstrom muss erzeugt werden, um die gleiche Kilometerleistung zu ermöglichen.
    • Je mehr Wind- und Solarenergieanlagen für die Versorgung des Verkehrssektors mit Antriebsenergie benötigt werden, desto größer werden die Umweltwirkungen der Energiewende im Verkehr – und womöglich auch die Akzeptanzprobleme.


    Für die Energiewende im Verkehr lässt sich daraus zwar auf eine Kernoption schließen: auf die direkte Stromnutzung, also auf den batterieelektrischen Antrieb und auf per Oberleitung mit Strom versorgte Züge, Busse und schwere Lkw. Angesichts noch vieler existierender Unsicherheiten ist es allerdings ratsam, alternative technische Optionen nicht heute schon auszuschließen. Technologieoffenheit ist ein wichtiges Leitprinzip der Regulierung.

  • Auf dem Weg zum Verkehrswende­konzept 2030 – die Politik setzt den Rahmen.

    Ohnehin ist es nicht die primäre Aufgabe der Politik, Technologien festzulegen. Das ist eine Sache von Angebot und Nachfrage. Allerdings hat staatliche Politik die Funktion, den notwendigen Regulierungsrahmen für ein klimaneutrales Verkehrssystem zu setzen, zum Beispiel durch CO2-Standards für Fahrzeuge und Kraftstoffe oder durch Parkraummanagement. Klarheit in der Zielsetzung und Planungssicherheit für die Gesellschaft entstehen nur, wenn eindeutig kommuniziert wird, wohin die Reise schon kurz- bis mittelfristig gehen muss, um die völkerrechtlich vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen. Der technische Fortschritt allein sorgt nicht für die notwendige CO2-Minderung – weder die Potenziale der Elektromobilität noch die der Digitalisierung tun das.29

    Jedenfalls lehrt die Erfahrung, dass die Verkehrswende ohne eine grundlegende Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen auf deutscher und europäischer Ebene nicht zu realisieren ist: Infrastrukturinvestitionen müssen in Zukunft ebenso konsequent am Ziel der Emissionsminderung ausgerichtet sein wie die verhaltenssteuernden Signale des Staates an die Verkehrsteilnehmer. Den staatlichen Akteuren stehen hierfür eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung: Abgaben und Umlagen sowie Auflagen und Standards, die dem Verursacherprinzip folgen – aber auch die finanzielle Förderung nach dem Gemeinlastprinzip. Wer allerdings monetäre Anreize für nicht zumutbar hält, Ordnungsrecht für tabu erklärt und gleichzeitig der Haushaltskonsolidierung Priorität einräumt, macht den Staat de facto handlungsunfähig.

    Die EU-Kommission hat Mitte 2016 mit ihrer Strategie für eine emissionsarme Mobilität die Richtung zwar vorgegeben.30 Doch in vielen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, ist von der beabsichtigten Wende noch zu wenig zu spüren. So trägt zum Beispiel der Bundesverkehrswegeplan praktisch nichts zur Emissionsminderung bei (siehe These 10). Dass die Förderung der Anschaffung von Elektrofahrzeugen unvermittelt neben dem Steuerprivileg für Dieselkraftstoff steht, offenbart ebenfalls Inkonsistenzen der Politik – genauso wie die Dienstwagenbesteuerung, die Vielfahrer begünstigt und keine Anreize zur Anschaffung emissionsarmer Fahrzeuge schafft. Dadurch wird der Trend zu immer höheren Motorleistungen gefördert – und der CO2-Ausstoß erhöht.31 Auch das fehlende generelle Tempolimit auf Autobahnen trägt dazu bei.

    Nach bestem heute vorhandenem Wissen geht die Entwicklung in Richtung Elektrifizierung des Verkehrssektors. Das erfordert ein integriertes, auf Elektrizität basierendes Mobilitätssystem für verschiedene Verkehrsträger, die kohlenstoffarme Erzeugung von Strom, Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen sowie die Schaffung nachhaltiger Transportprinzipien. Weltweit müssen bereits 2030 mindestens 20 Prozent aller Straßenfahrzeuge, darunter 100 Millionen Pkw, elektrisch angetrieben sein.32 Ob das von der Bundesregierung für das Jahr 2030 angepeilte Ziel von sechs Millionen Elektrofahrzeugen ausreicht, um das für dieses Jahr angestrebte nationale Emissionsminderungsziel für den Verkehr zu erreichen, erscheint unwahrscheinlich.

    Als eine Quer- und Längsschnittaufgabe erfordert die Verkehrswende Kohärenz.33 Politische Akteure verschiedener staatlicher Ebenen, von Europa bis zu den Kommunen, müssen sich mit ihren Aktivitäten ergänzen; neutralisieren oder behindern sie einander, wird die Verkehrswende unmöglich. Das Gleiche gilt für verschiedene sektorale Politikfelder; auch sie müssen aufeinander abgestimmt sein, damit die Verkehrswende gelingt. Eine zeitnahe politische Verständigung auf die wichtigsten strukturellen wie instrumentellen Eckpfeiler und Reformvorhaben in einem Verkehrswendekonzept 2030 wäre ein wichtiges Signal. Ein solches Konzept könnte ein politischer Leitstrahl mit dem Ziel sein, die beschlossene Emissionsminderung für den Verkehr von 40 bis 42 Prozent bis 2030 zu erreichen.

    Das gilt umso mehr, als die Verkehrswende nicht allein ein Verkehrs- und Umweltprojekt ist. Es geht mit ihr auch um den Industriestandort Deutschland, um Arbeitsplätze, um Wohlstand, um die menschliche Gesundheit. Tatsächlich zeigen unter anderem die Marktanteile von Elektrofahrzeugen in verschiedenen Märkten, dass einige Länder beim Umbau ihres Verkehrssystems bereits vorangeschritten sind – um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, um die Abhängigkeit von Mineralölimporten zu begrenzen, um sich im Wettbewerb um die Märkte der Zukunft Vorteile zu verschaffen.34 Deutschland gehört bisher nicht zu den Vorreitern (vgl. Abbildung 1.2).

    Je länger mit dem Umsteuern gezögert wird, während anderswo der Umbau bereits stattfindet, desto größer wird der Rückstand, und desto weniger Zeit bleibt, um den unausweichlichen Strukturwandel zu bewältigen. Ohne Verkehrswende ist der Industriestandort Deutschland gefährdet.

    Allerdings erweist sich die Verkehrswende bei genauerem Hinsehen als eine an Komplexität kaum zu übertreffende soziale Herausforderung. Denn sie verlangt vielen Millionen Menschen eine Änderung ihres Alltagsverhaltens und den Abschied von Gewohnheiten ab, die zuweilen zu Ritualen geronnen sind. Das unterscheidet die Verkehrswende fundamental von der Energiewende, die nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima konsensual zu einem Bestandteil der deutschen Politik geworden ist. Die Energiewende, die bisher im Wesentlichen eine Stromwende geblieben ist, ändert zwar den Prozess der Stromerzeugung, nicht aber das Produkt selbst und verlangt dem Verbraucher keine Verhaltensänderung ab. Schließlich kommt auch bei wachsenden Anteilen von Solar- und Windstrom Elektrizität mit einer Spannung von 220 Volt und einer Frequenz von 50 Hertz aus den Steckdosen. Im Gegensatz dazu hängt der Erfolg der Verkehrswende entscheidend von Verhaltensänderungen ab. Erzwingen lassen sich diese gleichwohl nicht. Vielmehr müssen sie attraktiv gemacht, überzeugend vermittelt, über längere Zeit erlernt werden, um sich allgemein durchsetzen zu können und im Alltag akzeptiert zu sein. Erfahrungsgemäß beansprucht ein solcher Prozess eher Jahrzehnte als Jahre. Auch deshalb ist es Zeit zum sofortigen Handeln.

    29. OECD, ITF (2017), S. 14
    30. EU COM (2016a)
    31. Destatis (2016c). Laut Statistischem Bundesamt hat die Erhöhung der durchschnittlichen Motorleistung von neuzugelassenen Pkw im Jahr 2015 im Vergleich zu 2008 zu zusätzlichen CO2-Emissionen in Höhe von 9,3 Mio. Tonnen geführt.
    32. UNFCCC (2016b)
    33. Dass die Kohärenz der Politik zugunsten nachhaltiger Entwicklung zu verbessern ist, wird von der Bundesregierung selbst betont. Siehe Bundesregierung (2016a), S. 43
    34. Siehe beispielsweise IEA (2016a)

  • Die Verkehrswende ist nur international erfolgreich.

    Allerdings setzt der Erfolg der Verkehrswende neue Impulse für die internationale, vor allem für die europäische Kooperation voraus. Erstens, weil der Verkehr nicht an europäischen Grenzen haltmacht, und zweitens, weil die Verkehrsemissionen nicht durch den europäischen Emissionshandel (EU ETS) reguliert sind. ­Stattdessen setzt die EU mit ihrer Strategie für emissionsarme Mobilität35 einen Rahmen für die zukünftige Entwicklung und mit diversen, bereits in Kraft befindlichen oder geplanten Direktiven konkrete Normen für Fahrzeug-, Kraftstoff- und Infrastrukturtechnologien. Je höher das dabei in der EU einvernehmlich vereinbarte Ambitions­niveau ist, desto weniger ist auf nationaler Ebene zu regeln, um die Verkehrswende zum Erfolg zu führen. Nationale Alleingänge stoßen erfahrungsgemäß nicht nur auf den Widerstand nationaler Interessengruppen; sie stehen auch unter dem Verdacht, mit den Regelungen zum EU-Binnenmarkt unvereinbar zu sein. Auch deshalb ist mit hoher Priorität ein koordiniertes europäisches Vorgehen anzustreben.

    Es kommt hinzu, dass die Verkehrswende bereits heute ein Projekt auch jenseits der europäischen Grenzen ist. Vorreiter sind vor allem China und Kalifornien. Einerseits können die Erfahrungen dort die hiesige Debatte befruchten; gewinnt die Verkehrswende hierzulande hohe politische Priorität, dann könnten andererseits aber auch von Deutschland und von Europa Impulse für viele weitere Länder ausgehen. Zu dieser Vermutung geben die mit der Energiewende im Stromsektor gemachten Erfahrungen Anlass. Ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wären Wind- und Solarenergie auch heute noch für viele arme Länder unerschwinglich; ähnliche Effekte bei den Batteriekosten haben die genannten Pionierländer (China, Kalifornien) bereits ausgelöst, zum Nutzen auch von Deutschland und von Europa. In Zukunft wird die Verkehrswende armen Ländern ebenfalls eine klimaverträgliche Mobilität ermöglichen; sie ist deshalb ein Projekt, das auch die internationale Gerechtigkeit fördert. Dass von der Diffusion neuer Verkehrstechnologien auf internationalen Märkten darüber hinaus hiesige Anbieter profitieren können, ist ein willkommener Zusatzeffekt.

    Internationale Kooperation ist aus einem weiteren Grund geboten: Die Digitalisierung des Verkehrssektors und strombasierte Antriebstechnologien werden auf breiter Basis erst mit einer massiven Steigerung an Importen bestimmter Rohstoffe (Lithium, Kobalt) oder von klimaneutralen, strombasierten Kraftstoffen möglich. Im Prinzip sorgt der Markt für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Zur Vermeidung von Engpässen oder monopolistischen Strukturen ist internationale Kooperation aber insbesondere in der Phase des Markthochlaufs neuer Verkehrstechnologien dringend geboten. Sie schafft die Basis für die Errichtung von Förder- und Verarbeitungskapazitäten in den Herkunftsländern und sorgt dafür, dass Nachfragespitzen die Preise nicht exorbitant steigen lassen, was die Verkehrswende bremsen würde. So oder so, es braucht eine Strategie für Kooperation im Wettbewerb, um Energiesicherheit und die Ressourcenbasis für die Verkehrswende zu sichern. Dieser Zwang zur Zusammenarbeit lässt das Vorhaben zu einem Bestandteil der internationalen Sicherheits- und Friedenspolitik werden.

    35. EU COM (2016a)

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