Autonomes Fahren bringt Verkehrswende nicht automatisch voran

Analyse von Agora Verkehrswende beleuchtet Chancen und Risiken selbstfahrender Fahrzeuge aus klimapolitischer Sicht.

Automatisierte Fahrzeuge sollten vor allem gemeinschaftlich genutzt und gut in den öffentlichen Verkehr integriert werden. Darauf verweist der Thinktank Agora Verkehrswende in einer Analyse der Entwicklungsperspektiven. Bisher kämen die Aspekte Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung zu kurz in der Debatte über autonomes Fahren in Deutschland. Ohne gezielte politische Steuerung drohe eine zunehmende Motorisierung mit weiterem Anstieg des Energie- und Flächenverbrauchs.

„Autonomes Fahren birgt Potenzial für die Verkehrswende, aber dafür müssen die Weichen jetzt gestellt werden, auch wenn es bis zum Durchbruch noch dauern wird“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Im Gesetz für autonomes Fahren, das die Bundesregierung vorbereitet, geht es bisher vor allem um rechtliche, technische und sicherheitsrelevante Fragen. Digitalisierung im Verkehr ist aber auch eine Frage von Klimaschutz und Lebensqualität. Das sollte sich auch in der Gesetzgebung niederschlagen. Sonst kann autonomes Fahren den Zielen der Verkehrswende zuwiderlaufen.“

Risiken: mehr Individualverkehr, mehr Energieverbrauch, mehr Zersiedelung

Die Analyse, die das Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für Agora Verkehrswende erstellt hat, gibt eine Übersicht über die Chancen und Risiken des automatisierten Fahrens für nachhaltige Mobilität. Das Hauptrisiko bestehe darin, dass der motorisierte Individualverkehr attraktiver werden und die Fahrleistung steigen könnte. Denn die Digitalisierung erleichtere das Autofahren und mache es auch für Zielgruppen zugänglich, die bisher nicht dazu in der Lage waren.

Zudem sei es möglich, dass automatisierte Fahrzeuge vermehrt leer herumfahren und Pendlerinnen und Pendler bereit sind, längere Strecken in Kauf zu nehmen, weil sie die Fahrzeit zum Arbeiten oder Ausruhen nutzen können. In der Regional- und Stadtentwicklung würde das zu noch größerer Zersiedelung führen. Im schlimmsten Fall entstehe auch eine separate Infrastruktur für automatisierte Fahrzeuge, die andere Verkehrsarten wie Radfahren und Zufußgehen einschränkt und den öffentlichen Raum zusätzlich verknappt.

Die Analyse zeigt aber auch, dass die Automatisierung dazu genutzt werden kann, die Fahrleistung zu reduzieren und den Verkehr sicherer und effizienter zu gestalten. Schätzungen zufolge könnte ein öffentlich genutztes automatisiertes Fahrzeug an einem Tag die Fahrten von bis zu elf Privatfahrzeugen übernehmen. Voraussetzung dafür sei jedoch die Bereitschaft, vom eigenen Auto umzusteigen. Effizienzvorteile wie das Fahren mit einheitlichem Tempo und geringen Abständen ließen sich erst bei einem hohen Anteil automatisierter Fahrzeuge realisieren. Mischverkehr mit anderen Verkehrsträgern könne hingegen zu mehr Aufwand und Gefahrensituationen führen.

Empfehlungen: Effizienzvorteile nutzen und gesellschaftliche Diskussion stärken

Agora Verkehrswende empfiehlt daher als Leitlinie für die Politik, das automatisierte und vernetzte Fahren gezielt als Beitrag für die Verkehrswende zu gestalten. Zunächst gehe es weiterhin darum, Verkehr zu vermeiden und auf nachhaltige Verkehrsträger zu verlagern. Das Grundprinzip der Daseinsvorsorge durch den öffentlichen Verkehr müsse im Personenbeförderungsgesetz aufrechterhalten werden. Automatisierte Mobilitätsangebote dürften nicht mit dem klassischen öffentlichen Verkehr konkurrieren, sondern sollten als Ergänzung dienen, insbesondere dort, wo sie Effizienzvorteile bieten. In diesem Rahmen gelte es, automatisierte Fahrzeuge möglichst effizient zu betreiben, gemeinschaftlich zu nutzen und in den öffentlichen Verkehr zu integrieren.

Darüber hinaus empfiehlt Agora Verkehrswende auf Basis der Analyse, bei Mischverkehren mit automatisierten Fahrzeugen die Frage der Verkehrssicherheit besonders zu berücksichtigen und bei der Planung der Infrastruktur dem Leitbild der nachhaltigen Raumordnung und Stadtentwicklung zu folgen. Eine durch Absperrungen abgetrennte Infrastruktur nur für automatisierte Fahrzeuge gelte es zu vermeiden. Regeln und Standards müssten sowohl einen reibungslosen als auch sicheren Austausch von Daten ermöglichen.

„Autonomes Fahren kann die Mobilität für alle grundsätzlich verändern“, sagt Agora-Projektmanagerin Marena Pützschler. „Deshalb ist es notwendig, die gesellschaftliche Diskussion über die Automatisierung im Verkehr zu stärken und mit den Fragen des Klimaschutzes und der nachhaltigen Entwicklung zu verbinden.“

Zur Analyse

Die Analyse mit dem Titel „Die Automatisierung des Automobils und ihre Folgen. Chancen und Risiken selbstfahrender Fahrzeuge für nachhaltige Mobilität“ (38 Seiten) steht unter www.agora-verkehrswende.de kostenlos zum Download zur Verfügung.

Agora Verkehrswende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.

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