Autonome Fahrzeuge werden gemeinschaftlich genutzt.

Die Digitalisierung verändert den Verkehrssektor mit hoher Geschwindigkeit. Sie hat bereits heute Einfluss darauf, welche Verkehrsträger genutzt und kombiniert, welche Routen gefahren und welche Mobilitätsdienstleistungen in Anspruch genommen werden. Dabei steht der Verkehrssektor erst am Anfang des digitalen Wandels. Die rasante Entwicklung der Automatisierung und Vernetzung, aber auch eine steigende Zahl an kollaborativen Mobilitätsangeboten werden noch wesentlich weiterreichende Veränderungsprozesse im Mobilitätsverhalten und Verkehrssystem in Gang setzen. Diese Trends bieten nicht nur die Chance, einen Beitrag zu Sicherheit, Effizienz und Klimaverträglichkeit des Verkehrs zu leisten, sondern bilden auch eine wichtige Grundlage für die Transformation des Verkehrssektors, getrieben von innovativen Technologien und Geschäftsmodellen (vgl. Abbildung 5.1).87

Der genauere Blick auf die möglichen Auswirkungen des digitalen Wandels im Verkehr zeigt jedoch, dass dieser Prozess als Gestaltungsaufgabe zu verstehen ist. Er führt nicht zwangsläufig zu positiven Effekten, sondern kann auch mit Risiken verbunden sein; er kann die Verkehrswende sogar gefährden.

Ferner gilt es zu beachten, dass die Digitalisierung weit über den Verkehrssektor hinausgeht. Sie stößt einen weitreichenden, sektorenübergreifenden Strukturwandel an. Das bezieht sich auf Arbeitsplatzeffekte im Industrie- und Dienstleistungssektor (siehe These 11) ebenso wie etwa auf den Schutz und die Sicherheit von Daten oder die Fehlertoleranz (Resilienz) technischer Systeme. Auch diese Faktoren entscheiden mit über die Akzeptanz der Digitalisierung und ihren Einfluss auf das Verkehrssystem.


87 Canzler, W.; Knie, A. (2016)

  • Selbst wenige autonome Fahrzeuge können zu mehr Verkehr führen.

    Die Fahrzeugautomatisierung findet schrittweise statt (vgl. Abbildung 5.2). Mit der Ankündigung erster serien­reifer autonomer Pkw (Stufe 5) ab dem Jahr 201888 rücken Fragen nach Sicherheit und Zuverlässigkeit der Fahrzeuge, aber auch haftungsrechtliche Aspekte und ethische Grundsätze ins Zentrum der fachlichen und öffentlichen Aufmerksamkeit. Auch auf Bundesebene wird der dynamischen Entwicklung der Fahrzeugautomatisierung bereits Rechnung getragen. Gesetzentwürfe zur Anpassung des Wiener Übereinkommens und des Straßenverkehrsgesetzes sollen die technischen Vorschriften für autonome Fahrzeuge sowie den Verantwortungsbereich des Fahrers klären.89

    Der Einfluss des autonomen Fahrens auf klima- und umweltrelevante Aspekte wie die Veränderung von Fahrzeugnutzung und Mobilitätsverhalten ist bislang wenig thematisiert. Dabei ist gerade dieser Aspekt entscheidend dafür, ob das autonome Fahren einen positiven Beitrag zur Verkehrswende leisten kann.

    Positiv auf den Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch der Fahrzeuge und damit auf deren CO2-Bilanz wirkt sich zunächst aus, dass die Fahrzeugautomatisierung eine gleichmäßigere Fahrweise mit geringeren Fahrzeugabständen und einer flüssigeren Abfolge des Verkehrs ermöglicht.90 Aber vorstellbar sind auch wesentlich tiefer greifende Effekte. Autonome Fahrzeuge, die im Flottenbetrieb ohne Einschränkungen flächendeckend innerhalb kürzester Zeit verfügbar sind, könnten den Mehrwert eines privat genutzten Pkw grundlegend in Frage stellen. In diesem Fall wäre es denkbar, dass kollaborative Mobilitätsangebote durch das autonome Fahren erkennbar an Relevanz gewinnen und der gemeinschaftlichen Fahrzeugnutzung zu einem Durchbruch in gesellschaftlicher Breite verhelfen. Im Ergebnis würde die Integration autonomer Fahrzeuge in den Mobilitätsverbund die Grenze zwischen individuellem und öffentlichem Verkehr vollständig verwischen (siehe These 3).

    Erste wissenschaftliche Untersuchungen unter anderem in Lissabon, Pittsburgh und Singapur beschäftigen sich bereits mit diesem Szenario.91 Die Simulationen zeigen, dass mit der Automatisierung des straßengebundenen ÖPNV und MIV lediglich zehn bis 30 Prozent des Fahrzeugbestandes notwendig sind, um die gegenwärtige Verkehrsnachfrage ohne Einschränkungen in der Mobilität abzudecken – vorausgesetzt die autonomen Fahrzeuge werden gemeinschaftlich, das heißt seriell in Form von Carsharing und insbesondere parallel mit Ridesharing im Flottenbetrieb genutzt. Eine Reduzierung des Fahrzeugbestandes in einer derart signifikanten Größenordnung senkt nicht nur den Energieverbrauch im Verkehr deutlich, sondern erweitert zugleich den kommunalen Gestaltungsspielraum hinsichtlich Flächen­nutzung und Stadtentwicklung (siehe These 3). Ähnliche Effekte sind auch für den ländlichen Verkehr zu erwarten. Hier bieten autonome Fahrzeuge die Perspektive auf neue Mobilitätsangebote, die auch in der Fläche eine hohe Mobilität ermöglichen (siehe These 4).

    Die Fahrzeugautomatisierung führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem Positivszenario. Zu den nichtintendierten Wirkungen der Fahrzeugautomatisierung könnten auch solche gehören, die ungewollten Verkehr induzieren: Halter autonomer Fahrzeuge könnten passagierlosen Parkvermeidungsverkehr verursachen, indem sie das Auto in der Stadt zirkulieren lassen, um Parkgebühren zu sparen. Auch die Bereitschaft zum Pendeln weiter Strecken mit dem privaten Pkw könnte zunehmen, da der Nutzwert der Reisezeit steigt und damit die Distanzempfindlichkeit sinkt. Ferner ist eine substanzielle Verlagerung von Wegen des klassischen Umweltverbundes auf autonome Flotten mit kostengünstigem Tür-zu-Tür-Service denkbar.

    Das autonome Fahren kann demnach unter Beibehaltung der heutigen Mobilitätskultur und Besitzverhältnisse zu mehr Fahrzeugen mit einer deutlich höheren Fahrleistung führen (vgl. Abbildung 5.3). Selbst bei einer drastischen Reduzierung des Pkw-Bestandes um bis zu 90 Prozent sind verkehrsinduzierende Effekte, zum Beispiel im Falle einer weitgehenden Substituierung des ÖPNV durch gemeinschaftlich genutzte autonome Pkw und Kleinbusse, den bisherigen Szenarien zufolge nicht auszuschließen.92

    Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Hochkapazitive öffentliche Verkehrsträger auf der Schiene und insbesondere der Straße bleiben auch in einer Zukunft mit autonomen Fahrzeugen erforderlich, um die Verkehrsnachfrage zu bündeln und möglichst effizient abzuwickeln. Auf dieser Basis können autonome Fahrzeuge – in kollaborative Mobilitätsdienstleistungen integriert und damit als Teil des Mobilitätsverbundes – eine wichtige flexible Ergänzung zum liniengebundenen ÖPNV darstellen, die positive Effekte hinsichtlich Fahrzeugbedarf und Fahrleistung erwarten lässt. Zugleich sind aber auch Strategien notwendig, um das Risiko einer steigenden Fahrleistung privat genutzter autonomer Fahrzeuge zu minimieren. Auch ordnungs- und fiskalpolitische Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang zu diskutieren.


    88. Driverless Car Market Watch (2016), u.?a. Tesla ab 2018; Volkswagen ab 2019; Daimler ab 2020; Honda ab 2020; Nissan ab 2020; BMW ab 2021.
    89. BMVI (2015)
    90. BMVI (2015), S. 10
    91. ITF (2016); Spieser, K. et al. (2014); Zachariah, G; ­Kornhauser, M. (2013)
    92. ITF (2016)

  • Die Vernetzung des Verkehrssystems trägt zur Mobilitätswende bei.

    In einem zukunftsfähigen Verkehrssystem sind straßen- und schienengebundene Verkehrsträger mit intelligenter Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsleitsystemen (etwa Verkehrszeichen, Parkraum, Lichtsignalanlagen) auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien digital zu einem kommunikativen System vernetzt. Dies ebnet den Weg für eine steigende Fahrzeugautomatisierung und schafft die Grundlage dafür, sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr effizienter, klimaverträglicher und sicherer zu gestalten. Kombiniert mit der zielgerechten Nutzung großer Datenmengen (Big-Data-Anwendungen) können Verkehre vorausschauend geleitet und inter- wie multimodale Reiseketten nahtlos bewältigt werden; die vorhandene Verkehrsinfrastruktur lässt sich auf diese Weise effizienter nutzen. Als Folge davon kann nicht nur das Mobilitätsverhalten positiv beeinflusst und der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß reduziert, sondern auch der Bedarf an Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gesenkt werden. Ein bislang noch unterschätzter Nutzen eines vernetzten Verkehrssystems ist der Zugewinn an verkehrspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten. Adaptive Umweltzonen und flexibel gestaltete Mautsysteme (siehe These 10), die zwischen Verkehrsdichte, Tageszeit, CO2-Emissionen und Luftqualität differenzieren, könnten als „Software“ für klimaverträglichen Verkehr auf Basis einer digitalen Infrastruktur genutzt werden.

    Ein zunehmender Vernetzungsgrad bedeutet aber auch, dass jedes nicht vernetzte Fahrzeug künftig als Störfaktor innerhalb des Verkehrssystems agiert. Die Antwort auf die Frage, wie eine Transitionsphase mit vernetzten und nichtvernetzten Verkehrsteilnehmern ohne Effizienzverluste und Sicherheitsrisiken organisiert werden kann, ist noch offen – angesichts der fortschreitenden Fahrzeugautomatisierung allerdings dringend zu beantworten. Dabei wird unter anderem zu diskutieren sein, ob auch Rad- und Fußverkehr in die Vernetzung einbezogen werden kann bzw. soll, ob separate Infrastrukturen für vernetztes und autonomes Fahren notwendig sind oder ob autonome Fahrzeuge etwa nur in gesonderten Bereichen wie Landstraßen und Autobahnen (autonom) fahren dürfen.

    Bei schienengebundenen Fahrzeugen ist die Automatisierung aufgrund der Spurführung einfacher umsetzbar als im Straßenverkehr. Insbesondere Stadtbahnsysteme ohne gemischten Verkehr bieten günstige Voraussetzungen für das vernetzte und automatisierte Fahren. Mit autonomen Zügen können Pünktlichkeit, Taktung und Energieeffizienz, beispielsweise durch geringere Sicherheitsabstände und eine sparsamere Fahrweise, verbessert werden.

  • Das Smartphone ist der Schlüssel für vernetzte Mobilität.

    Das Smartphone mit mobilem Internetempfang ist eine Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung im Verkehr. Es ermöglicht die Entstehung und Weiterentwicklung kollaborativer Mobilitätsdienstleistungen und wird zunehmend als persönlicher Navigator in einem wachsenden Umfeld an Mobilitätsoptionen eingesetzt. Darüber hinaus unterstützt es immer häufiger die moderne Verkehrsforschung bei der Analyse von Verhaltensänderungen und liefert somit wichtige Erkenntnisse für eine auf Multimodalität ausgelegte integrierte Verkehrsplanung.

    Mit dem Smartphone kann der einzelne Verkehrsteilnehmer schnell und spontan auf eine breite Vielfalt an Mobilitätsdienstleistungen zugreifen, unter anderem auf stationsbasierte und stationsunabhängige Carsharing-Fahrzeuge (vgl. Abbildung 5.4). Gleichzeitig übernimmt das Smartphone  immer häufiger die inter- und multimodale Planung der persönlichen Mobilität. Unter Angabe unterschiedlicher Präferenzen wie Zeit, Kosten oder CO2-Emissionen lässt sich mit dem Smartphone die optimale Route bestehend aus der Kombination aller Verkehrsmittel berechnen und in vielen Fällen bereits die gesamte Reisekette buchen und bezahlen. Der Smartphone-Nutzer wird somit Teil des vernetzten Verkehrssystems, das ihm die für seine persönliche Verkehrsmittelwahl relevanten Informationen in Echtzeit liefert. Multimodale Mobilität wird auf diese Weise einfach, komfortabel und ökonomisch transparent.

    Wie sich in den Städten bereits zeigt, prägt das Smartphone den Wandel hin zu einer inter- und multimodalen Mobilitätskultur – und auch in Zukunft wird es maßgeblich zur Organisation von Mobilität beitragen. Entscheidend ist dabei, dass nicht nur innovative Start-ups neue Mobilitätslösungen entwickeln, sondern auch klassische Verkehrsunternehmen sich dem digitalen Wandel öffnen. Auf diese Weise kann der ÖPNV mit neuen Mobilitätsdienstleistungen wie Car-, Bike- und Ridesharing digital verknüpft und damit die flächendeckende Verfügbarkeit eines integrierten Mobilitätsangebotes mit elektronischem Ticketing gefördert werden. Dabei sollte der Wandel hin zu Smartphone-zentrierter Mobilität nicht zu einer digitalen Spaltung der Gesellschaft führen. Ein vergleichbares Qualitätsniveau von Informations-, Buchungs- und Bezahlsystemen auch fernab des eigenen Smartphones ist zu gewährleisten. Beispielgebend hierfür ist die bundesweite Einführung des eTickets. Die geplante Abschaffung von Papierfahrscheinen bis Ende 2018 erfolgt nicht ausschließlich durch die Abrechnung per Smartphone, sondern ebenso über eine elektronische Chipkarte, die ohne Mobiltelefon genutzt werden kann.93

    Oftmals noch unterschätzt ist das Potenzial des Smartphones für Forschung und Planung. Klassische Erhebungsmethoden wie Verkehrszählungen, Befragungen und Wegetagebücher können mit der zunehmenden Diversifizierung des Mobilitätsangebotes nur noch schwer Schritt halten. Der Einsatz mobiler Endgeräte ermöglicht eine detaillierte Analyse des Mobilitätsverhaltens bei gleichzeitiger Entlastung der Erhebungsteilnehmer. Insbesondere bei empirischen Langzeiterhebungen und Verkehrsmodellierungen können auf diese Weise Detailgrad, Umfang und Zuverlässigkeit der Daten deutlich verbessert werden. Es ist daher naheliegend, digitale Erhebungsmethoden in der Verkehrsforschung und -planung weiter zu etablieren und die Potenziale des Smartphones nicht ausschließlich auf den individuellen Nutzen zu beschränken. So zeigt unter anderem der Nationale Radverkehrsplan 2020, dass Smartphone-­basierte Erhebungen bei der bedarfsorientierten Planung von Verkehrsknotenpunkten und intermodalen Mobilitätsschnittstellen einen wertvollen Beitrag leisten.94


    93. Mobilität21 (2016)
    94. Nationaler Radverkehrsplan 2020 (2016)

  • Vernetzte Mobilität und Datenschutz sind kein Widerspruch.

    Ob mit dem Smartphone oder im modernen Auto, täglich werden große Mengen von Mobilitätsdaten erzeugt: durch die App-basierte Routenplanung, durch die Nutzung neuer Mobilitätsdienstleistungen oder durch die Navigation im privaten Auto, das längst imstande ist, Fahrzeug- und Geodaten zu erfassen und zu übertragen. Vor dem Hintergrund der steigenden Automatisierung und Vernetzung des Verkehrssystems gewinnt die Frage nach Verfügbarkeit, Eigentum, Verarbeitung und Schutz dieser Daten zunehmend an Relevanz. Die Antwort darauf wird maßgeblich über Vertrauen und Akzeptanz der Nutzer, aber auch über das Innovationspotenzial neuer Technologien und Mobilitätsdienstleistungen entscheiden.

    Ziel muss es daher sein, Klarheit für Nutzer und Hersteller bzw. Betreiber im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zu schaffen, beispielsweise durch die Stärkung der informationellen Selbstbestimmung. In diesem Fall wird der Nutzer über Umfang und Verwendung der erhobenen Daten informiert und entscheidet grundsätzlich selbst, ob er die Daten freigeben möchte. Eine auf Datenschutz ausgerichtete Voreinstellung (privacy by default) würde einen Grundschutz der Verbraucher gewährleisten und datenschutzrechtliche Konflikte weitgehend vermeiden.95 Um die Nutzung von Daten dennoch nicht systematisch auszuschließen, können diese unter Rückgriff auf Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung verarbeitet werden.96 So lassen sich auch größere Datensätze, beispielsweise für Big-Data-­Anwendungen, erheben, ohne den im Datenschutzrecht festgelegten Grundsatz der Datensparsamkeit zu verletzen.97

    Neben dem Schutz personenbezogener Daten liegt ein weiteres Erfordernis in der flächendeckenden Verfügbarkeit öffentlicher Mobilitäts- und Infrastrukturdaten. Die Bereitstellung von Kartengrundlagen, Fahrplan- und Tarifinformationen, aber auch von Echtzeitinformationen wie Wetterdaten und Unfallwarnungen schafft Wettbewerbsgleichheit und wirkt sich innovationsfördernd auf die Entstehung neuer Mobilitätsangebote aus. Mit der Verfügbarkeit offener Daten und der Nutzung von Massendaten könnten alleine innerhalb der EU jährlich 629 Millionen Stunden Stau vermieden werden. Die Erschließung dieses Potenzials würde nicht nur den Energieverbrauch des MIV um ca. 16 Prozent reduzieren, sondern auch zu volkswirtschaftlichen Einsparungen in Höhe von rund 28 Milliarden Euro führen.98 Grundlage für eine flächendeckende Lösung kann ein Open-Data-Gesetz sein, das die Offenlegung von Daten in einheitlichen Datenstandards regelt und deren Bereitstellung in einem Online-Portal sicherstellt.99


    95. von Schönfeld, M. (2015)
    96. „Anonymisieren ist das Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können.“ (nach BDSG § 3 Absatz 6). „Pseudonymisieren ist das Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren.“ (nach BDSG § 3 Absatz 6a)
    97. von Schönfeld, M. (2015)
    98. EU COM (2015)
    99. Dies wird zum Beispiel in Deutschland mit dem Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) bereits in Ansätzen praktiziert. Vgl. MDM-Portal (2016)

  • Reallabore ebnen den Weg für Innovationen.

    Auch wenn der digitale Wandel bereits im Verkehrssektor angekommen ist, sind empirisch belastbare Aussagen zu den klimabezogenen Effekten neuer Mobilitätsdienstleistungen bislang nur eingeschränkt möglich. Sie erfordern Erfahrungen aus dem Realbetrieb. Die Sammlung von Lernerfahrungen kann einen wesentlichen Beitrag leisten, nicht nur, um Technologien bis zur Serienreife zu entwickeln und die verkehrlichen und verhaltensbezogenen Auswirkungen innovativer Mobilitätsangebote zu erforschen.

    Erste Bemühungen zur Erprobung neuer Ansätze im Verkehrssektor existieren bereits in Deutschland, etwa in Form des Förderprogramms Schaufenster Elektromobilität100 oder der digitalen Testfelder für automatisiertes und vernetztes Fahren.101 Viele dieser Forschungsschwerpunkte sind jedoch stark oder nahezu ausschließlich technologieorientiert. Nur selten stehen Aspekte wie die Integration innovativer Mobilitätsangebote in das Verkehrssystem und damit verbundene Effekte im Mittelpunkt der Untersuchungen. Entsprechende Erprobungsräume könnten jedoch wertvolle Lernerfahrungen generieren und dabei neue im Zuge der Digitalisierung entstehende Gestaltungsmöglichkeiten berücksichtigen. So wäre mitunter der Testbetrieb neuer Mobilitätsdienstleistungen wie Ridesharing durch die Flexibilisierung oder eine zeitlich begrenzte Aufhebung des Personenbeförderungsgesetzes zu diskutieren, um Erfahrungen zu Nutzerakzeptanz und Verhaltensbeeinflussung zu sammeln und diese wiederum für regulatorische Innovationen zu nutzen (z.?B. durch eine entsprechende Ausweitung der Experimentierklausel § 2 Abs. 7 PBefG102).

    Um experimentelle Ansätze dieser Art in Deutschland stärker zu fördern, sollte der Gesetzgeber seine Rolle als Wegbereiter für Innovationen im Verkehrssektor wahrnehmen und – nach internationalem Vorbild103 – eine Ausweitung entsprechender Freiräume diskutieren. So könnten Reallabore auch für fiskalpolitische Instrumente wie die Einführung und Weiterentwicklung von Umweltzonen und von neuen Parkraumbewirtschaftungskonzepte oder für die Förderung von Mobilitätsallianzen geschaffen werden, beispielsweise zwischen klassischen Verkehrsunternehmen und neuen Mobilitätsdienstleistern.

    Wichtig ist dabei in allen Fällen eine frühzeitige Einbindung der Planungsbehörden auf regionaler und kommunaler Ebene sowie eine systematische und transparente wissenschaftliche Begleitung der Lernerfahrungen. Auf diese Weise können die gewonnenen Erkenntnisse verwertbar und übertragbar gemacht werden, beispielsweise um Defizite in der vorherrschenden Verkehrsplanung und Gesetzgebung aufzudecken. Zugleich können Reallabore belastbare Erkenntnisse für die Validierung von Verkehrsmodellierungen und Strategien zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors liefern.


    100. Schaufenster Elektromobilität (2015)
    101. BMVI (2016b)
    102. Dort heißt es: „Zur praktischen Erprobung neuer Verkehrsarten oder Verkehrsmittel kann die Genehmigungsbehörde auf Antrag im Einzelfall Abweichungen von Vorschriften dieses Gesetzes oder von auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften für die Dauer von höchstens vier Jahren genehmigen, soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen.“
    103. Ein Beispiel hierfür ist die Lockerung des Taxigesetzes im Schweizer Kanton Genf, die eine Erprobung von Ridesharing-Angeboten im Realbetrieb ermöglicht. Siehe Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich (2016)

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